Wie man sich seinen eigenen Sarg schnitzt
In Bobingen zimmern sich Männer ihr letztes „Möbelstück“. Diese Arbeit erfordert nicht nur Fingerfertigkeit und Können. Den Teilnehmern geht es um viel mehr
Bobingen Anheimelnd durchzieht der Duft von frisch bearbeitetem Holz die Räume der Schreinerwerkstatt in Bobingen. Ein Mann glättet die Oberfläche eines frisch geleimten Brettes, ein anderer schnitzt fingergroße Stöckchen aus weichem Holz. Beide sind sichtlich gut gelaunt und entspannt – und das obwohl sie an einer „schwierigen Kiste“bauen: Sie zimmern sich ihren eigenen Sarg.
Der gelernte Schreinermeister und spätere Berufsschullehrer Fred Theiner leitet im Rahmen einer offenen Werkstatt die Teilnehmer eines Workshops bei dieser nicht alltäglichen Aufgabe an. Das Experiment scheint gelungen, hat das Zeug zum Dauerthema. Das zeigt zumindest der erste Versuch.
Theiner selbst kam dem Thema durch eine lebensbedrohende Krankheit näher und begleitet seither Menschen, die sich auch auf handwerkliche Weise mit dem Thema Sterben und der Endlichkeit des Lebens auseinandersetzen wollen.
Für Kursteilnehmer Bernd Volland aus Bobingen ist das Schreinern seines Sarges vor allem Beschäfti- mit dem Leben: „Das ist schon zu Lebzeiten sehr beruhigend“, sagt der 55-Jährige, während er mit dem Stecheisen an den fingergroßen Stöckchen schnitzt. Das wird einer der Nägel, mit denen der Sarg später verschlossen wird. Der Gedanke, den eigenen Sarg schon jetzt zu bauen, kam Volland bei Holzbildhauer Hans-Jürgen Conrad aus Augsburg, den er einst bei einem Schnitzkurs kennenlernte.
„Je mehr man sich mit der eige- nen Endlichkeit beschäftigt, desto intensiver wird das Leben“, sagt Volland und erzählt, was er schon jetzt mit dem Sarg vorhat. „Es wird ein Lebensschrank, in dem ich alles aufbewahre, was ich erlebt habe, was in meinem Leben wichtig ist.“Eine sehr schöne, berührende Idee, findet er.
Ähnlich ist auch die Motivation eines anderen Teilnehmers (70 Jahre), der namentlich nicht genannt werden will. Er sagt auch: „Ich magung che gerne was mit meinen Händen und ich finde die Särge, die es im Handel gibt, scheußlich.“Sein Sarg ist aus Zirbenholz aus dem Südtiroler Ultental, das der begeisterte Radwanderer sehr mag. Der Bezug zur Herkunft des Holzes ist ihm wichtig. Er plant, den Deckel seiner „Kiste“mit Metalblättern zu verzieren, die an herabfallendes Laub erinnern.
Zum Kurs stößt Elisabeth Naurath, Professorin für evangelische Theologie und Leiterin des Friedenspädagogischen Zentrums für interreligiöse Bildung der Universität Augsburg. „Der Tod ist ein Tabu-Thema in unserer Gesellschaft, das hat mit der Angst davor zu tun. Aber es bereichert, sich mit dem Thema zu beschäftigen, und es intensiviert das geistige Leben“, sagt sie. Deshalb behandelt sie das Thema auch mit ihren Studenten.
Innerhalb von zwei Kurstagen ist der Sarg-Corpus fertig. Die weitere Verzierung bleibt der Fantasie des jeweiligen Hobby-Handwerkers überlassen. Für die spätere Beerdigung empfiehlt Theiner, den Sarg mit Ölpapier auszulegen und den Toten auf Zirbelspänen und Schafwolle zur letzten Ruhe zu betten.
Workshopleiter Fred Theiner öffnet seine offene Werkstatt für Laien und Hobbyschreiner auch für andere Projekte – und sei es nur, um einen eigenen Tisch oder Stuhl zu reparieren.
Info Termine werden für Freitage und Samstage jeweils von 9 bis 18 Uhr ver geben, jedoch nur nach vorheriger Verein barung. Kontakt unter Telefon 08234/5677 oder f.theiner@google mail.com.