Wenn die Straßenbahn zum Konzertsaal wird
Das Mozart Feschtle nutzte auch ungewöhnliche Veranstaltungsorte. Das führte zu Zufallsbegegnungen
Im Becken ziehen die Besucher ihre Bahnen, hin und her, immer im gleichen Rhythmus. Kinder planschen im Wasser, Senioren lassen sich einfach treiben. Ein Bild wie an jedem Sonntagvormittag im Alten Stadtbad. Und doch ist etwas anders als sonst. Eine Melodie mischt sich in das Geplätscher im Becken, in das Sprudeln der Wasserdüsen und das sanfte Prasseln der Duschen. Es ist klassische Musik – und sie kommt nicht vom Band: Auf der Empore musiziert das Trio „3bholz“. Lisa Riepl und Sebastian Thiel spielen Klarinette, Fangsheng Xie Fagott. Sie trägt ein schwarzes Sommerkleid, die Männer haben die Hemdärmel hochgekrempelt. Diesen Auftritt absolvieren sie in tropischem Klima. Einige Meter unter ihnen schwimmen die Badegäste.
Ein Teil von ihnen wusste, was sie erwartet. Sie haben von dem Konzert erfahren und sind wegen der Musik in das Schwimmbad gekommen. Andere wussten nichts vom Auftritt des Trios. „Ich bin total überrascht“, sagt etwa Heidi Svoboda. Die Augsburgerin ist regelmäßig im Stadtbad, klassische Musik hat sie da noch nie gehört. Gerade Mozart schätze sie sehr, dennoch sagt sie: „Ich brauche es nicht. Ich brauche hier eigentlich meine Ruhe.“Andere Zufallszuhörer freut das Angebot. „Ich bin mal wieder hergekommen, weil ich das Ambiente so toll finde“, sagt Hannes Proeller. „Und da passt die Musik hervorragend dazu.“Seine Frau Margot Proeller ergänzt: „Ich könnte mir vorstellen, dass das Kult wird.“
Zumindest vorerst wird es bei dem einen Auftritt im Stadtbad bleiben. Das Konzert fand im Rahmen des Mozart Feschtles statt, dass das Mozarthaus in diesem Jahr zum ersten Mal organisiert hat. Im Gegensatz zum Mozartfest, bei dem Profimusiker aus aller Welt in Augsburg zu Gast sind, kommen die Künstler am Wochenende aus der Region. in der Innenstadt finden Konzerte statt. Im Kleinen Goldenen Saal malen Street-Art-Künstler zu klassischer Musik, bei Workshops backen die Gäste Mozartkugeln oder bauen Instrumente, außerdem werden Stadtführungen und Ausstellungen angeboten.
Die Spielstätten sind zum Teil ungewöhnlich. Als das Trio LaLiLu Notenständer, Klarinetten und das Fagott in der Straßenbahn in Position bringt, beobachten die Mitfahrer die Musiker mit teils skeptischen, teils interessierten Blicken. Eine junge Frau mit Rastalocken zieht ihre Kopfhöhren aus den Ohren. Als die Musik einsetzt, blickt sie verträumt aus dem Fenster. Es sind erschwerte Bedingungen für die Mu- siker, die wenig Platz haben. Anstelle einer Sängerin setzt mitten in ihrem Stück eine Stimme vom Band ein: „Bitte vergessen Sie nicht, Ihren Fahrausweis zu entwerten.“Ein junger Mann mit Mütze, gepiercten Ohren und Sonnenbrille setzt sich nahe an das Trio. Als das Stück zu Ende ist, klatscht er am lautesten.
Es werde spannend, „weil eben auch Leute da sein werden, die das vielleicht nicht hören wollen“, hatte Agnes Liberta, eine der Klarinettisten, im Vorfeld gesagt. Nicht alle Fahrgäste lassen sich auf die Musik ein, manche setzen sich möglichst ans Ende der Straßenbahn oder behalten ihre Kopfhörer in den Ohren. Andere loben die Idee, etwa Emil Saigh, der auf dem Weg in die KirÜberall che ist. „Das war sehr schön“, sagt er. Er hört auch sonst gerne Klassik und sagt: „Gut, eine Geige hätte nicht geschadet“– aber die Aktion sei sehr gelungen.
Im Rokoko-Saal erklärt der Ballettmeister Armin Frauenschuh: „Grundsätzlich tanzt der Deutsche eh zu wenig.“Er hat die Aufgabe, den rund 50 Teilnehmern seines Workshops das Menuett, einen Tanz aus Barockzeit und Klassik, näherzubringen. „Die Herren jetzt die Hand auf den Rücken. Ein Halbkreis mit dem Fuß nach hinten ...“– Die Männer und alle Frauen, die wegen des Tänzer-Mangels den männlichen Part übernehmen, machen es ihm nach. Am Anfang etwas zaghaft. Knapp eine Stunde später tanzt die Gruppe auf den Fußballen durch den Saal, alle paar Schritte mit einem kleinen Knicks. „Und das geht auch rückwärts“, fordert Frauenschuh sie auf. Die Teilnehmer lachen und probieren es aus. Ein Paar tanzt mit dem kleinen Sohn im Kreis, die Älteren knicken so weit ein, wie sie es eben können. Frauenschuh geht es vor allem darum, die Atmosphäre des Menuetts zu vermitteln. „Es sind alle mit Feuereifer dabei“, lobt der Ballettmeister.
Simon Pickel, Leiter des Mozartbüros, zeigt sich zufrieden damit, wie das Feschtle ankommt. „Dass Augsburg Mozartstadt ist, muss in der Gesellschaft noch ein bisschen mehr ankommen“, sagt er. „Ich glaube, das haben wir erreicht.“