Bei einer WM treffen Welten aufeinander
Eine halbe Tonne Material hat Österreichs Superstar Marcel Hirscher zur Ski-WM nach St. Moritz transportieren lassen, unter anderem 60 Paar Ski. Jean-Pierre Roy verfügt über ein Paar Ski und eine beachtliche Wampe. Eine SkiWM ist immer auch ein Aufeinandertreffen der Extreme. Der Weltverband pflegt eine Art Entwicklungsprogramm, indem er Sportler aus Nationen an den Start lässt, die nicht unbedingt dem Idealbild eines Skiprofis entsprechen.
Roy ist, um genau zu sein, das exakte Gegenteil des Modell-Athleten Hirscher. Der hautenge Rennanzug schmeichelt dem 53-Jährigen nicht unbedingt, was ihn aber nicht im Geringsten zu stören scheint. Fröhlich lächelnd rutschte er die Piste hinab. Der zweifache Großvater ist Gründer und Präsident des haitianischen Skiverbands. In St. Moritz belegte er den 75. und letzten Platz der Qualifikation für den WM-Riesenslalom. Über eineinhalb Minuten trennten ihn vom Quali-Sieger Steffan Winkelhorst aus den Niederlanden.
Man mag es lächerlich finden, wenn ein übergewichtiger Haitianer jenseits der 50 bei einer WM startet. Es könnte aber auch Ausdruck dessen sein, was der Sport zu leisten vermag, wenn mal nicht der Kampf um Hundertstel im Mittelpunkt steht, wenn mal nicht nur Sieg oder Niederlage zählen. Haiti hatte ein Erdbeben, sagte Roy nach seinem Rennen. Haiti hatte einen Hurrikan. „Aber wir sind noch da. Das will ich der Welt zeigen.“Alishan Farhang und Sajjad Husaini hat eine ganz ähnliche Mission aus Afghanistan nach St. Moritz geführt. Sie wollen, dass über ihre Heimat in einem anderen Zusammenhang berichtet wird, als Mord und Totschlag.
Es gibt aber auch unter den Exoten die schnöden Selbstdarsteller. Allen voran Hubertus Prinz zu Hohenlohe. In den frühen 1980ern fuhr der Adelige aus Liechtenstein einige Male in die Top Ten bei Weltcuprennen. Inzwischen rutscht der 58-Jährige, der für Mexiko startet, zwischen Albanern, Chinesen und Indern durch die Qualifikation. Abseits der Piste geht er keiner Festivität aus dem Weg, hier ein Plausch, dort ein Gläschen Champagner. Die Qualifikation für das gestrige WM-Rennen hat der betuchte Prinz verpasst. Ihm sei die Kraft ausgegangen, sagte er dem ORF. Er will es im Slalom noch einmal probieren. Das tut sich Roy nicht mehr an. Diese ganzen Stangen, da verliere er den Überblick. Er hat sein Ziel erreicht. Für ein paar Minuten stand in St. Moritz, diesem Treffpunkt der Superreichen, das geschundene Haiti im Blickpunkt.