Im heiklen Namen von Werner Egk
Augsburg und Donauwörth werden darüber nachdenken müssen, wie mit dem Künstler aufgrund seiner nationalsozialistischen Vergangenheit umzugehen ist. Ein Paradebeispiel
Augsburg Werden das Hans-Carossa-Gymnasium in Landshut und auch die Gerhart-HauptmannSchule in München demnächst Post erhalten, dazu die Richard-StraussSchule in Garmisch-Partenkirchen? Möglich. Sie und die Augsburger Werner-Egk-Schule, die bereits Post bekommen hat, eint: Ihre Namensgeber haben unzweifelhaft künstlerische Verdienste, aber nicht durchweg ein solch vorbildliches Leben geführt wie man es speziell von dem Namensgeber einer Schule erwarten könnte. Die Schriftsteller Carossa und Hauptmann, die Komponisten Strauss und Egk waren ebenso Nutznießer wie Repräsentanten des Nationalsozialismus – auch wenn sie sich unterschiedlich stark den damit verbundenen Auftritten entzogen, auch wenn sie gelegentlich und unterschiedlich stark gar nicht im ideologischen Sinne der Nazis Hilfe leisteten. Aber reichen künstlerische Leistung, gelegentlicher oder häufiger persönlicher Entzug sowie Schutzdienste für eine Ehrung, wenn gleichzeitig einem Unrechtssystem, das millionenfach mordete, zu Bedeutung, womöglich gar Glanz verholfen wurde?
Das steht jetzt erneut zur Debatte, speziell in Augsburg und Donauwörth – wo eine Grundschule und eine Musikschule im Namen Werner Egks ausbilden. In Auchsesheim, heute Stadtteil von Donauwörth, wurde Egk 1901 geboren, in Augsburg ging er zur Schule. Unter den Nazis war er Funktionär der Reichsmusikkammer und jahrelang Kapellmeister an der Berliner Staatsoper. Angestoßen hat die Debatte in Folge vieler derartiger Debatten – man denke nur an die Tutzinger Diskussion um die nationalsozialistische Pianistin Elly Ney! – der ehemalige Lehrer Hans-Georg Kalbhenn aus Espelkamp/Nordrhein-Westfalen.
Politische Anständigkeit, so gibt er im Gespräch zu verstehen, sei ihm schon seit Studentenzeiten ein Anliegen, das Nachhaken im Fall Werner Egk jedoch eher Zufall, bedingt durch eine Bekannte nahe Augsburg. Da stolperte er – als Nichtmusiker – über den seltsamen Komponistennamen und forschte nach. Kalbhenn verweist heute speziell auf Egks Komposition zu den Olympischen Spielen 1936, ausgezeichnet seinerzeit mit einer Goldmedaille, sowie auf Egks Eintrag in der sogenannten „GottbegnadetenListe“1944, wo mehr als 1000 Künstler aufgeführt wurden, die – für Propagandaaufgaben – vom Kriegseinsatz befreit waren. Auf dieser Liste war übrigens auch der bereits greise Richard Strauss zu finden, der ebenfalls für die Olympischen Spiele 1936 komponiert hatte und ebenfalls zeitweise Funktionär der Reichsmusikkammer gewesen war. Weitere belastende Fakten lassen sich hier wie dort unschwer finden. Man muss nur in Bücher und Archive blicken. Lesen hilft.
Dies soll nun hinsichtlich der Augsburger Werner-Egk-Grundschule auch ein Historiker tun – um abschließend zu einer Empfehlung dahingehend zu kommen, ob die Schule den (belasteten) Namen behalten sollte – oder eben nicht. Vielleicht schließt sich diesem Gutachten dann auch die Musikschule Donauwörth an. In Augsburg jedenfalls scheint die Empfehlung sehnsüchtig erwartet zu werden, sowohl seitens der Schulleiterin als auch des Staatlichen Schulamts. Man setzt voll auf den Experten. Dabei kann auch der nur ermessen. Und der Spielraum dabei ist so eng nicht gesteckt. Der Graubereich zwischen Schwarz und Weiß umfasst viele Nuancen. Unter den eingangs erwähnten Künstlernamen dürfte Carossa der wohl am wenigsten belastete sein, Werner Egk womöglich der problematischste Fall, auch weil er nach dem Krieg in seiner Autobiographie sein Engagement im Nationalsozialismus weitgehend ausblendete, auch weil er – wie so mancher andere auch – zu keinen Worten des Bedauerns fand.
Freilich gilt gleichzeitig: Das Hauptwerk Egks, das sind seine Opern „Columbus“, „Zaubergeige“und „Peer Gynt“, bleiben Werke nicht nur hoher Ästhetik, sondern auch hoher Moral. Dem „Columbus“(1932/1942) kann gar eine antiimperiale Haltung attestiert werden – entwickelt übrigens in Folge von Egks Berliner Bekanntschaft mit Brecht, Kurt Weill und Erwin Piscator. Das ist Egks eigentliches schöpferisches Verdienst – und steht diametral seiner angewandten Musik für den NS-Film „Jungens“(1941) gegenüber.
Man kann folgern: Würde den Schulen in Augsburg und Donauwörth die Ehrung Werner Egk im Namen gestrichen werden, wäre man moralisch auf der sicheren Seite. Einklagbar ist eine Huldigung nicht. Aber ist eine moralisch sichere Seite gleichzeitig auch eine geschichtsbewusste und kluge Seite? (Zumal Hans-Georg Kalbhenn sogar Straßennamen ein Dorn im
Jahrelang Kapellmeister im Berlin der Nationalsozialisten Welche Chance, die Widersprüche eines Menschen darzustellen!
Auge sind, die seiner Ansicht nach ungerechtfertigt ehren.)
Nein, geschichtsbewusst und klug ist das nicht. Nicht das Streichen und Ignorieren eines – sehr spät – als problematisch bewerteten Künstlers ist geboten, sondern das Erläutern und Aufdecken der Zweischneidigkeit bestimmter Auszeichnungen. Luther ist zu lesen und zu analysieren, Richard Wagner ist zu hören und zu analysieren, und zwar trotz und wegen der antisemitischen Äußerungen beider. Und Werner Egk ist kennenzulernen, weil in ihm eine starke Künstlerpersönlichkeit und ein leicht biegbares Individuum zusammenfallen. Welche Chance, die Widersprüche im Menschen darzustellen – und seine grundsätzliche Verführbarkeit!
Das müsste jetzt im Fall Egk geleistet werden – und die Darstellung des Weges, der dahin führte. Ob in den Schulen von Augsburg und Donauwörth (wie sie künftig auch heißen mögen), ob vor den Schulen oder in einer Egk-Straße oder auf einem Egk-Platz. Verschweigen öffnet in diesem wie in vergleichbaren Fällen nicht die Augen.