Wie oft muss die Stadt Laub kehren?
Ein Augsburger rutscht aus und verletzt sich schwer. Wie seine Chancen auf Schmerzensgeld stehen
Wenn Schnee oder Laub fällt, besteht für Grundstückeigentümer grundsätzlich Räumpflicht. Doch wie häufig muss eine Stadt wie Augsburg seine Straßen, Geh- und Radwege säubern? Was ist zumutbar? Immer wieder werden Zivilgerichte angerufen, wenn es zu Unfällen kommt. So wie im Fall von KarlHeinz Eberhard. Der 57-Jährige war im Herbst in Haunstetten auf nassem Laub ausgerutscht, hatte sich schwer verletzt. Wegen dreier gebrochener Halswirbel lag er zehn Tage im Krankenhaus. Wochenlang sei auf dem Geh- und Radweg, der zum Siebentischwald führt, nicht gekehrt worden, behauptet der Gestürzte. Er hat die Stadt auf 5000 Euro Schmerzensgeld verklagt.
Vor Gericht trafen sich jetzt die Parteien. Schnell wurde klar, die Chancen des Klägers auf eine Entschädigung stehen nicht allzu gut. Nicht nur, weil es keine Fotos gibt, wie der Gehweg am Unfalltag ausgesehen hat. Ebenso wenig steht der Straßenkehrer, der im Herbst dort eingesetzt war, als Zeuge zur Verfügung. Er ist inzwischen gestorben. Seinem Einsatzplan nach hatte er jeden Dienstag und Mittwoch dort den Gehweg gekehrt.
Die verklagte Stadt ist ohnehin der Ansicht: „Es gibt keinen Anspruch, jeden Weg und Steg im Herbst laubfrei zu halten.“Ein höherer Aufwand sei nur dann zu rechtfertigen, so ihr Anwalt Golo Bellot, wenn es sich um eine besondere Gefahrenstelle handele. Dort, wo der Augsburger stürzte, sei dies aber „definitiv nicht der Fall“. Die Stadt hat, wie in der Verhandlung zur Sprache kam, die Rechtsprechung auf ihrer Seite. Denn ihr Einsatz muss auch wirtschaftlich zumutbar sein.
Immerhin müssen in Augsburg rund 150 Kilometer an Gehwegen und 220 Kilometer an Radwegen auf städtischem Grund geräumt werden. Nach Angaben von Alfons Stegmann, Leiter der Straßenreinigung, rücken Räumfahrzeuge und Straßenkehrer je nach Bedarf aus. In der Stadtmitte mit viel Publikumsverkehr bis zu fünf Mal täglich, in den Außenbereichen deutlich weniger.
Karl-Heinz Eberhard, der immer noch an den Folgen seines mehr als zwei Jahre zurückliegenden Sturzes leidet, darf dennoch ein wenig hoffen. Richter Thomas Bartholy entließ die Parteien mit einem Vergleichsvorschlag. Wenn die Stadt und die hinter ihr stehende Bayerische Versicherungskammer zustimmen, bekäme er ein Schmerzensgeld von 2500 Euro. „Ohne Anerkennung einer Rechtspflicht“, wie es im schönsten Juristendeutsch heißt.