Der Schatz der Äthiopier?
Menelek befand sich in einer schwierigen Lage. Sein Begleiter hatte in Jerusalem die Bundeslade, einen überaus heiligen Gegenstand, einfach mitgenommen. Sollte man zurückreisen und das Diebesgut abliefern? Menelek beschloss, das Heiligtum mit in seine nordostafrikanische Heimat zu nehmen. Dort gründete er, so heißt es, vor rund 3300 Jahren Abessinien, dessen erster Kaiser er wurde. Die koptischen Christen Äthiopiens gehen bis heute davon aus, dass sie im Besitz des heiligen Gegenstands sind. Er befinde sich streng bewacht in der heiligen Stadt Aksum. Unbefugte werden nicht zugelassen.
Ob es Menelek, den Reichsgründer und Beschaffer der Bundeslade, tatsächlich gegeben hat, ist ungewiss. Er soll ein Sohn König Salomons und der Königin von Saba gewesen sein, also ein Produkt herausragender Klugheit und Schönheit. Und das mitgenommene Heiligtum? Auch die Bundeslade ist ein Produkt der Überlieferung und bisher nicht mit Händen zu greifen. Die Überlieferung ist allerdings sehr ehrwürdig. Sie beginnt mit dem Alten Testament und reicht bis ins Neue Testament. Die Bibel beschreibt die Bundeslade als einen in Gold gefassten Akazienholz-Behälter, der viel Heiliges enthält. Das Heiligste darin sind die Steintafeln mit den zehn Geboten, die Moses auf dem Berg Sinai von Gott entgegengenommen hat. Der Bundeslade werden wundersame Kräfte nachgesagt. Sie gilt als das Symbol des Bundes, den Gott mit dem Volk Israel geschlossen hat, und sie ging mit den Israeliten auf Wanderschaft. Auf dem Jerusalemer Tempelberg fand sie eine Bleibe, ist aber auch dort nicht vorzufinden. Das kann einerseits daran liegen, dass der heilige Berg inzwischen für grabende Archäologen tabu ist. Es heißt aber auch, dass die Lade mehrfach durch Räuberei abhanden gekommen sei. Von den Philistern ist die Rede, von Nebukadnezar und natürlich von Menelek. Die Bundeslade, die weder in Jerusalem noch in Aksum zu besichtigen ist, ist letzten Endes Glaubenssache. Wo es um den Glauben geht, da ist Raum für Spekulationen. Die Bundeslade hat Romanautoren und Filmemacher inspiriert. In Steven Spielbergs „Jäger des verlorenen Schatzes“ist sogar ein Häuflein Nazis hinter ihr her, um sie als Wunderwaffe zu missbrauchen. Die Äthiopier, die sich im Besitz der Bundeslade wissen, können darüber nur lachen.