Was bringt das Alkoholverbot?
Seit über einem Monat gilt die nächtliche Verordnung am Münchner Hauptbahnhof. Die Szene der Stamm-Trinker vertreibt sie noch nicht. Erste Auswirkungen gibt es dennoch
München Unter dem Schwammerl, so heißt das Vordach des Eingangs zum Münchner Hauptbahnhof, müssen Reisende an diesem Abend zwangsläufig an ihm vorbei. Die Basecap hängt schief auf dem Kopf, vor dem fleckigen Fußballtrikot schwenkt der Mann seine Bierflasche in einer Hand. Er läuft umher, oder besser: versucht, sein Gleichgewicht zu halten. Passanten pöbelt er an, macht sich lallend über sie lustig.
Es ist Montagabend um halb elf. Szenen wie diese sollte es um diese Uhrzeit eigentlich nicht mehr geben. Von 22 bis 6 Uhr ist Alkohol rund um den Bahnhof verboten. Seit dem 21. Januar gilt die Verordnung, die alkoholbedingte Pöbeleien, Auseinandersetzungen oder Straftaten eindämmen soll. Die waren im Umfeld des Geländes laut Stadt zuletzt deutlich angestiegen. Doch was bringt das nächtliche Alkoholverbot am zentralen Umsteigekreuz der Landeshauptstadt?
Im Bahnhofsinneren, in der Nähe der Gleise, putzt Marcel Schrader die Theke seines Sushi-Standes. Kurz vor Ladenschluss ist die Vitrine leer. Die Augen hinter der Designer-Brille sehen müde aus. „Das Alkoholverbot?“, fragt er. „Das ist schon in Kraft?“Nach wie vor seien betrunkene Pöbler an der Tagesordnung. Die seltenen Durchsagen des Verbots interessiere „keine Sau“, sagt Schrader. Er zeigt in Richtung Vorplatz. „Vor allem von dort kommt immer wieder Geschrei.“
Gerade unter dem Vordach des Haupteingangs, das abgerissen werden soll, hat sich eine TrinkerGruppe etabliert. Das nächtliche Al- koholverbot richtet sich vor allem gegen diese sogenannte „SteherSzene“. „Man kann es niemandem zumuten, sich seinen Weg durch einen Pulk Betrunkener bahnen zu müssen“, sagt Johannes Mayer vom Münchner Kreisverwaltungsreferat. Die Frage ist: Lassen sich die Trinker durch eine solche Verordnung fernhalten? „Das ist schwierig und wird ein bisschen dauern“, sagt Wolfgang Hauner von der Bundespolizei in München. Die ist, zusammen mit der Deutschen Bahn, für die Umsetzung des Verbotes im Bahnhofsgebäude zuständig. Draußen am Vorplatz und den anliegenden Straßen ist es die Landespolizei. „Man muss die Langzeitwirkung des Verbots abwarten“, sagt Werner Kraus, Sprecher des Münchner Präsidiums.
Zuletzt waren wegen der Kälte nur wenige Trinker am Hauptbahnhof anzutreffen. Jetzt, da es wieder wärmer geworden ist, kommen viele zurück. Und bekommen Probleme mit den Sicherheitskräften. Bislang hat die Polizei aufgrund der neuen Bestimmung über 120 Anzeigen erstattet, die in Bußgelder übergehen. Dazu kommen Hausverbote der Deutschen Bahn. Im Januar gab es laut einem Sprecher 16 davon, im Februar seien noch einmal zahlreiche dazugekommen. Verdrängt ist die Szene dadurch noch nicht. „Das Verbot wird seine Wirkung wohl erst voll entfalten, wenn manche zwei- oder dreimal bezahlen mussten“, sagt Kraus. Die Bußgelder reichen von 75 Euro beim ersten Verstoß bis hin zu 1000 Euro bei mehrfachen Wiederholungstätern.
Erste Auswirkungen sind zum Teil aber bereits zu spüren. Der Verkäufer eines Bäckereistandes mitten in einem Durchgang sagt: „Seitdem das Verbot da ist, muss ich abends weniger Glasscherben zusammenkehren.“Ein Mann, der an diesem Abend eine Reinigungsmaschine bedient, bestätigt diesen Zusammenhang.
Die Mitarbeiterin eines Backshops mit Kühlregal für Getränke berichtet, dass die Nachfrage nach Bier unverändert ist. „Vielen ist das Verbot gar nicht bewusst“, sagt sie und verkauft einem Pärchen einen Kaffee. Sie weise die Kunden auf die Verordnung hin. „Aber über die Hälfte interessiert sich dafür gar nicht.“Ein Kollege kommt hinzu. „Dafür hängen hier nicht mehr so viele zwielichtige Gestalten herum“, sagt er.