Der Radfahrer, der nicht radfahren konnte
Ein 40-Jähriger demoliert im Juli 2016 ein Auto und landet nun auf der Anklagebank. Vor dem Amtsgericht Augsburg bestreitet er die Tat zunächst, überlegt es sich dann aber anders
Die Nacht lief nicht gut für ihn, ganz und gar nicht. Amir P.* war mit dem Fahrrad seiner Tochter unterwegs, in Haunstetten. Es war ein Uhr nachts, er hatte einiges getrunken. Zu viel, um nach dem Gesetz noch Radfahren zu dürfen. An einer Kreuzung übersah er ein Auto, das Vorfahrt hatte. Eine Karambolage verhinderte dessen Fahrer wohl nur deshalb, da er Amir P. noch rechtzeitig sah und mitten auf der Straße abbremste. Auch Amir P. blieb stehen. Dann trat er noch ein paar Mal in die Pedale und rammte das Auto.
Vor lauter Wut nahm er das Rad und zog es mit den Reifen am Auto entlang. Er verursachte in dieser Nacht im Juli 2016 einen Sachschaden in Höhe von etwa 1050 Euro, wie die Staatsanwaltschaft ihm nun vorwarf, denn der Fall landete vor dem Augsburger Amtsgericht.
In der Tatnacht selbst muss der Autofahrer zunächst perplex gewesen sein; er stieg zwar aus, um mit dem Radler zu reden, der sein Auto demoliert hatte, notierte sich aber weder dessen Namen noch seine Kontaktdaten. Der Angeklagte fuhr weg. Nachdem der Autofahrer seinen BMW am Straßenrand abgestellt und den Schaden genauer angeguckt hatte, wollte er den Radler doch zur Rede stellen. Lange suchen musste der BMW-Fahrer nicht, denn Amir P. war nicht weit gekommen: Sein Rad stand vor einer Spielhalle, nur etwa 50 Meter entfernt. Die Nacht lief nicht gut für ihn.
Auch der Prozess vor dem Amtsgericht hätte schlecht für ihn ausgehen können, nicht nur, weil der Angeklagte noch unter offener Bewährung stand. Amir P., türkische Wurzeln, 40 Jahre alt, bietet zunächst auch eine Erklärung an, warum er die Tat gar nicht verübt haben könne: Er habe nie gelernt, Fahrrad zu fahren, sagt er. Stattdessen sei es so gewesen: Er habe das Rad seiner Tochter an einer Sporthalle abgeholt und nach Hause schieben wollen. Dabei sei es zu dem Beinahe-Zusammenstoß gekommen, ja, aber ansonsten stimme das nicht, was ihm vorgeworfen werde. Er sei auch höchst überrascht gewesen, als der Autofahrer ihn in der Spielhalle aufsuchte und ihm vorwarf, seinen BMW demoliert zu haben. Denn da sei ja nichts gewesen.
Es ist eine Schilderung, die nur schwer aufrecht zu erhalten ist, nachdem die ersten beiden Zeugen aussagen: Der BMW-Fahrer und seine Freundin, die in der Nacht im Juli 2016 Beifahrerin gewesen war. Beide schildern detailliert und ohne Widersprüche, dass Amir P. das Auto demolierte und danach mit dem Rad wegfuhr.
Der Angeklagte überlegt es sich nun doch noch mal, räumt die Vorwürfe ein und bittet um Entschuldigung. Möglich, dass ihn das vor dem Gefängnis bewahrt. So kommt er noch einmal glimpflich davon; Richterin Susanne Scheiwiller verurteilt ihn zu einer Geldstrafe von 160 Tagessätzen à 22 Euro, also 3520 Euro. Sie kam dabei der Forderung von Verteidiger Stefan Mittelbach nach, der auf eine Geldstrafe plädiert hatte. Staatsanwältin Alexandra Krug hatte acht Monate Haft gefordert. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.