So kam es zum Schuss vor der L’Osteria
Ein Leibwächter schießt in Kriegshaber auf einen 24-Jährigen. Der Mann wird schwer verletzt, es bricht Panik aus. Nun müssen Richter klären, ob es Notwehr war – oder nicht
Es sind dramatische Szenen, die sich am 30. Juni 2016 abends gegen 19 Uhr vor dem Eingang des Lokals L’Osteria in Kriegshaber abspielen. Polizeibeamte, mit Gewehren bewaffnet, stürmen von zwei Seiten heran. Ein Mann liegt blutend am Boden. Ein anderer Mann hat eine Pistole in der Hand. Die Polizisten fordern ihn auf, die Waffe wegzuwerfen. Er muss sich bäuchlings auf den Boden legen und wird sofort mit Handschellen gefesselt. Unter den rund 200 Gästen des italienischen Restaurants bricht Panik aus.
Seit Mittwoch wird der Fall vor dem Augsburger Landgericht verhandelt. Angeklagt ist ein Leibwächter, 51 Jahre alt. Er hat bei einer Auseinandersetzung vor dem Lokal auf einen 24-jährigen Kontrahenten geschossen. Die Kugel aus der Pistole durchschlug den rechten Oberschenkel des Mannes. Er musste im Klinikum operiert werden, hatte monatelang starke Schmerzen und kann auch heute, zehn Monate später, noch nicht Sport treiben. Die Staatsanwaltschaft wirft dem Bodyguard gefährliche Körperverletzung vor. Der Leibwächter dagegen sagt, er habe in Notwehr gehandelt, als er seine Pistole, eine halbautomatische Neun-Millimeter-Glock, zog und den Schuss abfeuerte.
War es wirklich Notwehr oder doch eine Körperverletzung, so wie es in der Anklageschrift steht? Über diese Frage müssen die Richter jetzt entscheiden. Fest steht, dass es ein zufälliges Treffen war. Der Leibwächter hatte einen Geschäftsmann bewacht, der mit seiner Freundin in dem Lokal essen wollte. Der 58-jährige Kaufmann hatte den Bodyguard einige Tage zuvor engagiert. Er hatte sich bei seinen Geschäften offensichtlich so viele Feinde gemacht, dass er ständig Angriffe fürchten musste. An einem Messestand in Mannheim hatte man ihn geschlagen. Außerdem war zuvor die Tür eines Hauses im Kreis Augsburg, in dem er zeitweise lebte, mit drei Schüssen durchlöchert worden. Und er habe zu der Zeit oft über 100000 Euro Bargeld bei sich gehabt, er- zählt der Kaufmann vor Gericht. Das Geld sei von einem Investor gewesen. Er habe damals mit seiner Freundin eine Firma zur Finanzierung von Fahrzeugen aufgebaut.
Im Lokal traf der umstrittene Geschäftsmann mit einem 26-jährigen Immobilienunternehmer aus Augsburg zusammen. Der hatte noch seinen Bruder und einen Geschäftspartner bei sich. Der 26-jährige Augsburger sagt, der 58 Jahre alte Kaufmann schulde ihm seit Jahren noch 70000 Euro. Alle Männer gingen nach draußen vor das Lokal. Dort verpasste der Augsburger Unternehmer dem 58-Jährigen im Streit einen Schlag gegen den Kopf. Und dann ging alles ganz schnell. Der Schuss fiel, der zwei Jahre jüngere Bruder des geprellten Unternehmers brach zusammen.
Ein Problem: Das, was in dem kurzen Zeitraum zwischen Schlag und Schuss passiert sein soll, wird von den Zeugen ganz unterschiedlich geschildert. Der Kaufmann und sein Bodyguard beschreiben es so, dass sie beide von dem gegnerischen Trio körperlich angegriffen worden seien. Zudem habe der Leibwächter mehrmals gedroht, dass er gleich schießen werde, wenn er weiter bedrängt werde. Die drei anderen Männer beteuern jedoch, dass es außer dem einen Schlag keine weiteren Handgreiflichkeiten gegeben habe. Eine Warnung vor dem Schuss will keiner aus dem Trio gehört haben.
Doch spielt es überhaupt eine entscheidende Rolle, welche Version nun stimmt? Womöglich nicht. Denn es bleibt die Frage, ob es angemessen war, bei einem bloßen Handgemenge eine Pistole zu ziehen und abzufeuern. Das Trio auf der Gegenseite war nicht bewaffnet. Der Schuss des Leibwächters traf den Oberschenkel des Opfers nur rund zehn Zentimeter unter der Leistengegend. Hätte die Kugel eine Arterie getroffen oder wäre sie etwas höher in den Körper eingedrungen, hätte der 24-Jährige sterben können. Das merkt Richter Roland Christiani mehrfach an. Der Prozess ist auf mehrere Tage angesetzt. Es sollen noch weitere Zeugen und auch ein Gutachter aussagen.