Flüchtlingen und ihren Helfern geht die Kraft aus
Einer Familie fehlen 3000 Euro, um die geforderten Pässe zu bekommen. Das zeigt: Die Bürokratie stellt Asylbewerber vor ebenso große Hürden wie die Suche nach Arbeit und Wohnung. Das frustriert auch Ehrenamtliche
Friedberg Monika Pache ist eigentlich ein optimistischer Mensch. Doch seit sie sich ehrenamtlich für zwei Flüchtlingsfamilien einsetzt, sinkt ihre gute Stimmung. Die Alis seien bemüht, lernen Deutsch, wollen arbeiten, verhalten sich in allem korrekt – doch trotzdem kommen sie nicht weiter. Arbeitssuche, Wohnungssuche, Fluchtfolgen, Bürokratie: Die vielen Probleme frustrieren mittlerweile nicht nur die Asylsuchenden selbst, sondern auch ihre ehrenamtlichen Helfer. Aktuelles Beispiel: Die Familie Ali muss Pässe beantragen. Was so lapidar klingt, ist eine große Hürde. Denn die 3000 Euro, die das kosten würde, können sich die Alis mit ihren drei Kindern nicht leisten. Warum ist das überhaupt so teuer?
380 Euro kostet ein Reisepass bei der syrischen Botschaft. Die Alis benötigen ihn, weil sie sogenannten subsidiären Schutz genießen. Das bedeutet: Sie haben keinen Asylstatus, dürfen aber in Deutschland bleiben, solange in Syrien der Krieg ihr Leben bedroht. Für die Pässe müssen alle Familienmitglieder, selbst das Baby, persönlich in der syrischen Botschaft in Berlin vorstellig werden. Dorthin müssen sie mit dem Zug fahren und zweimal übernachten, weil die Botschaft nur vormittags auf hat und einen Tag für die Bearbeitung braucht. Dazu kommen weitere Gebühren und eine Beglaubigung der Geburtsurkunde durch das Bundesverwaltungsamt für das jüngste, in Deutschland geborene Kind. Allein die Beglaubigung kostet über 100 Euro. Fadid Ali kann wegen des Themas schon nicht mehr schlafen. Die Familie lebt von Hartz IV. Monika Pache hat einen Antrag auf ein Darlehen beim Jobcenter gestellt, doch Hoffnungen, dass es Geld gibt, macht sie sich kaum. Nun wollten die Syrer ein Sparbuch anlegen, um Geld für die Pässe anzusparen. Das ging erst nicht, weil sie keinen Ausweis hatten. Ein Teufelskreis.
Ali ist Schweißer, er hat schon mehrere Bewerbungen geschrieben – erfolglos. Und sollte er einen Job finden, womöglich auf dem Land, wie käme er dann zur Arbeit? Auch die Wohnungsuche ist fast aussichtslos. 300 Bewerbungen hat Pache schon für die Alis geschrieben – erfolglos. Manche Vermieter legten den Hörer einfach auf, sobald sie hörten, dass es um Flüchtlinge geht. Das bringt auch Pache langsam zum Verzweifeln. Sie sagt: „Die Euphorie ist weg, es ist frustrierend. Als Helfer fängt man an, an sich selber zu zweifeln.“
Die Friedberger Integrationsbeauftragte Ulrike Proeller kennt das Problem. Immer mehr Asylhelfer können kaum noch, fühlen sich überfordert, manche geben auf. Gesprächsund Beratungsangebote der Freiwilligenagentur versuchen, den Frust zu mildern. Proeller sagt: „Das Problem ist, dass sowohl die Asylsuchenden als auch die Ehrenamtlichen keinen Fortschritt sehen.“Viele Helfer dachten, sobald die Anerkennung als Flüchtling vorliegt, könnten die Menschen durchstarten. Weit gefehlt. Die Beschäftigungsquote ist in Friedberg mit seiner guten wirtschaftlichen Lage noch relativ hoch, nämlich etwa 20 Prozent. Schwieriger sieht es mit Wohnraum aus.
Nur persönliche Kontakte helfen. So mietete der Chef eines Restaurants eine Wohnung für eine afghanische Familie, deren Vater bei ihm arbeitet. Doch solche Glücksfälle sind selten. Immer wieder sagen daher Ehrenamtliche, dass sie aufgeben. Sie müssen sich wieder mehr um ihre eigene Familie oder den Beruf kümmern. Zeit und Kraft gehen zu Ende.
Zugleich wachse das Aggressionspotenzial in den Heimen, so Proeller. Besonders schwierig sei es für Kinder, die keine Rückzugsmöglichkeit zum Lernen haben. Mit dem Jugendzentrum versucht die Integrationsbeauftragte, dies abzufangen. Die Schulen seien ebenfalls an ihrer Grenze. „Kinder sitzen in der dritten Klasse und können kein Wort Deutsch.“Hinzu kommen teilweise Verhaltensprobleme wegen der Erfahrungen im Heimatland und auf der Flucht. Auch die Tochter der Alis tut sich deshalb schwer. Gerade bei den Kindern wollen Integrationsbeauftragte und Jugendpflegerin ansetzen. „Wir versuchen die Kinder jetzt zu erreichen, damit wir nicht in drei Jahren Probleme haben.“»Kommentar