Sieben Meisterwerke in einer Stadt
Zu Georg Petels eindringlichen Skulpturen ist ein Führer erschienen. Es bietet sich eine Kirchentour an
Georg Petel war der größte Bildhauer seiner Zeit, nämlich des Frühbarocks. Seine Intensität im Ausdruck seiner Figuren, ihr Pathos in der Haltung, ihre bewegte Dynamik suchen ihresgleichen. Augsburg darf sich glücklich schätzen, dass Georg Petel seit 1625 in der Stadt wirkte und dass sich hier eine Anzahl seiner reifsten Werke erhalten hat. Daraus entstand im Kunstreferat der Diözese Augsburg die Idee, einen PetelWeg zu den Skulpturen in Augsburger Kirchen zu kreieren. Als Wegweise dient ein neuer, handlicher Führer aus dem Kunstverlag Josef Fink, den Diözesankonservator Michael A. Schmid verfasst hat.
Es sind vor allem die ChristusSkulpturen, die Petels Bildhauerei bis heute zu einem eindringlichen Erlebnis machen. Einige davon haben in jüngster Zeit einen besonderen Aufstellungsort in den Kirchen erhalten, wo sie hervorragend zur Geltung kommen. Vor allem gilt dies für den Christus Salvator im Zentrum des durchlichteten Chors in St. Moritz. In der klaren, reduzierten Neugestaltung des Kirchenraums krönt diese Figur nun die Blickachse. Der auf den Betrachter zueilende Auferstandene mit ausgreifendem Schritt, flatterndem Gewand und ausgestreckten Händen ist eines der letzten Werke Georg Petels, der im Kriegsjahr 1634 wie viele seiner Mitbürger im belagerten Augsburg wahrscheinlich Pest und Hunger zum Opfer gefallen ist.
St. Moritz präsentiert außerdem einen von Pfeilen durchbohrten Hl. (um 1628/30) in einem vergoldeten Mantel und in ungefassten Lindenholz einen Hl. Christophorus mit dem Jesuskind auf der Schulter in füllige Stoffmassen gekleidet. Schmid weist auf das Wech- zwischen dem knorrigen alten Mann und dem fröhlichen Kind hin und bescheinigt Petel einen „gewissen humorvollen Blick“. Parallelen zur Körperhaltung des Christus Salvator entdeckt der KunsthistoriSebastian ker im segnenden Christkind in der Barfüßerkirche, das sich ebenfalls auf den Betrachter zubewegt. Diese Figur strahle eine überzeitliche Natürlichkeit aus, ihr herrscherlicher Gestus wurde durch die 1750 hinzuselspiel gefügte Weltkugel verstärkt. Einst stand die Figur auf der Barockkanzel, in der wiederaufgebauten Barfüßerkirche auf einem Steinsockel.
Gut sichtbar vor der steinernen Rückwand des neuen Sakramentsaltars im Dom entfaltet jetzt der Geißelheiland seine volle Wirkung. Die Körperdrehung veranschauliche das Leiden Christi und durch den kraftvoll modellierten Köper zugleich die Überwindung von Leid und Tod, erklärt Schmid. Christus wirke zwar geschunden, aber in seiner Haltung keineswegs blutleer und resigniert.
Anders verhält es sich mit den beiden Kruzifix-Figuren Petels. Die Darstellung in der Barfüßerkirche zeige Christus nach aufwühlendem Todeskampf verstorben, doch noch immer mit verbliebenen Zeichen des Lebens in Haarmähne und aufgebauschtem Lendentuch. Ruhiger erscheint das Kruzifix in Heilig Kreuz, freilich majestätisch in seiner an Rubens orientierten Körperlichkeit. Mit ihm pflegte Petel auf seinen drei Reisen nach Antwerpen freundschaftlichen Kontakt.
Michael A. Schmid empfiehlt ergänzend zur Kirchentour Abstecher ins Maximilianmuseum, das auch einen Elfenbeinhumpen zeigt, den Petel mit einem Bacchanal nach Rubens meisterlich gestaltete. Im Diözesanmuseum und in St. Max seien außerdem Werke zu finden, die Petels Ausdruck sehr nahestehen.
Michael A. Schmid: Georg Petel (1601/02–1634). Skulpturen in Augsburger Kirchen, Kunstverlag Josef Fink, 24 Seiten, 3 Euro (erhältlich im Buchhandel und im Dom)