Wohnen: Dreht die Stadt an den richtigen Schrauben?
Wohnungen für finanziell schwache Mieter gibt es immer weniger. Doch die Stadt sperrt sich gegen eine verbindliche Quote in Neubaugebieten. Das bringt ihr Kritik ein
EVON STEFAN KROG s ist überfällig, dass die Stadt in Sachen Wohnungen etwas tut. Dass sich die wahrnehmbaren Tätigkeiten zwei Monate nach der Vorstellung des Projekts „Wohnraumoffensive“noch in Grenzen halten, ist dabei gar nicht das Problem. Es ist keine Schande, wenn es ein paar Monate dauert, bis Konzepte mit Leben gefüllt werden.
Der Knackpunkt ist, dass das Projekt zu spät kommt. In den Wahlprogrammen hatten die Regierungspartner – teils fast wortgleich mit dem jetzt vorgelegten Konzept – schon Aktionen zum Thema Wohnen angekündigt. Warum hat man damit drei Jahre bis zur Regierungshalbzeit gewartet?
Wohnen steht in der Wahrnehmung der Bürger ganz oben auf der Problemliste. Es betrifft alle, die zur Miete wohnen oder über den Kauf einer Immobilie nachdenken. Dass die Dinge jetzt immerhin ins Laufen kommen, wird hoffentlich nicht nur daran liegen, dass bis zur nächsten Wahl in drei Jahren ewas geliefert werden muss. Inhaltlich sind die Überlegungen der Stadt dabei gar nicht schlecht. Die Ansätze wie Bestandsverdichtung und Leerstandsmanagement werden nicht die Masse an Wohnungen bringen, aber in der Summe schon etwas bewirken. Jede neue Wohnung sorgt für Entspannung. Und es sind Ansätze, die Flächenverbrauch und Zersiedelung vermeiden.
Gleichwohl ist der Brocken, der am meisten Entlastung bringt, der Neubau von Wohnungen. Die Zahl der Wohnungen stieg von 1990 bis 2016 um etwa 30000 auf rund 151000. Die Zahl der Einwohner wuchs im gleichen Zeitraum von 256000 auf zuletzt 293000. Am Zahlenverhältnis hat sich also gar nicht viel geändert. Allerdings ist der Anteil der Singlehaushalte deutlich gestiegen. In den vergangenen Jahren gab es zudem durch Finanzkrise und den innerdeutschen Zuzug nach Süddeutschland massive Sprünge bei Preisen und Mieten. Das wird für immer mehr Menschen zum Problem.
Die Stadt hat eine Reihe von Baugebieten ausgewiesen, die allesamt bebaut werden. Es muss Nachschub her, denn wenn die Preise durch die Decke gehen, ist die Erhöhung des Angebots ein zentraler Schritt. Um keine falschen Hoffnungen zu wecken: Angesichts der allgemeinen Baupreissteigerung und höherer Energiestandards, die wiederum höhere Baukosten nach sich ziehen, wird das nur preisdämpfende Wirkung haben. Sinkende Preise sind nicht in Sicht.
Ein großes Fragezeichen ist bei der Politik der Stadt beim Thema Sozialwohnungen zu machen. Momentan gibt es in Augsburg um die 6000 geförderte Wohnungen, 2020 dürften es rund 7500 derartige Wohnungen sein, unter anderem wegen der Bautätigkeit der städtischen Wohnbaugruppe WBG (früher Wohnungsbaugesellschaft). Sie sagt, an der Grenze ihrer Leistungsfähigkeit zu sein.
Allerdings lag die Zahl dieser Wohnungen in der Vergangenheit deutlich höher: Im Jahr 2000 gab es noch 13 000 Sozialwohnungen, 1990 knapp 23000. Diese Wohnungen, gebaut mit staatlichen Zuschüssen, sind inzwischen aus der Preisbindung gefallen, werden also auf dem freien Markt mit entsprechenden Preissteigerungen vermietet. Die Stadtgesellschaft vor 30 Jahren mit hohem Arbeiteranteil in Fabriken ist mit der heutigen nicht mehr zu vergleichen, aber Niedriglohnjobs gibt es heute dafür eben im Dienstleistungssektor. Oberbürgermeister Kurt Gribl (CSU) hat die Losung ausgegeben, dass bei der Entwicklung der Stadt auf alle Schichten und nicht nur auf die sozial Schwachen geschaut werden soll. Andernfalls entstehe eine Schieflage. Der Botschaft als solcher kann man zunächst nicht widersprechen. Die unausgesprochene Rechnung Gribls ist wohl: Würde Augsburg stärker bei Sozialwohnungen zulegen, würde die Stadt sozial schwächere Bewohner anziehen. Das wäre ein Problem, weil die Augsburger Bevölkerung in Bayern zur Ärmsten zählt. Die Herausforderungen, die das für die Stadtgesellschaft schon heute schafft, sind augenfällig. Aber natürlich würde es auch nicht zum Image der Aufsteiger-Stadt passen, mit dem sich Augsburg seit der Botschaft „Die Uniklinik kommt“so gerne schmückt. Das Risiko von verknapptem erschwinglichem Wohnraum ist, dass die Bevölkerung, die jetzt schon hier lebt, in Schwierigkeiten gerät.
Eine Erhebung, wie viele Sozialwohnungen nötig wären, hat die Stadt nicht. Sie verweist darauf, dass die WBG ihre etwa 10 000 Wohnungen im Schnitt sehr günstig vermietet. Es gebe auch weitere Träger wie das Ulrichswerk oder die WBL des Landkreises Augsburg. Der Mieterverein sieht das anders. Die Stadt komme ihren Verpflichtungen nicht nach, wenn sie Sozialwohnungsbau nicht einfordere. Wenn heute schlecht verdienende 50-Jährige in ein paar Jahren in Rente gehen, reiche das Geld vielleicht nicht mehr, um die Miete der bisherigen Wohnung zu bezahlen, so Vorsitzender Thomas Weiand. In diese Kerbe schlägt seit Jahren auch die SPD, die für Neubaugebiete eine verbindliche Quote von 30 Prozent an geförderten Wohnungen fordert. Private Bauträger würden immer noch einen Gewinn damit machen, wenn auch vielleicht keinen so hohen wie mit Wohnungen im freien Markt. Baureferent Gerd Merkle (CSU) macht rechtliche Gründe gegen eine solche Quote geltend. Andere Städte scheinen sich darum aber nicht zu scheren und führen solche Quoten ein.
Davon hätten nicht nur sozial schwache Augsburger etwas, sondern auch Mittelschichtfamilien. Um eine Gettoisierung zu vermeiden, werden Häuser mit geförderten Wohnungen inzwischen mit einer Mischung aus Bewohnern – vom Hartz-IV-Bezieher bis zur Mittelschichtfamilie – belegt. Einen Zuschuss zur Miete – in unterschiedlicher Höhe – bekommen alle.
Die Stadt hat das Thema zu spät angepackt