Stress mit Folgen
Kognitive Störungen bei Krebspatientinnen
Leiden Brustkrebs-Patientinnen unter Beeinträchtigungen des Gedächtnisses, der Konzentration und anderer geistiger Fähigkeiten? Seit Jahren gibt es den Verdacht, dass solche kognitiven Störungen eine Nebenwirkung der Chemotherapie sein könnten – das Schlagwort dazu lautet „Chemobrain“. Unter Leitung von Dr. Kerstin Hermelink vom Brustzentrum der LMU haben Wissenschaftler mehrerer Kliniken in und um München in einer Längsschnittstudie untersucht, welche Rolle posttraumatischer Stress in der Verursachung der Störungen spielt. Ein Jahr nach der Diagnose Brustkrebs fanden sich minimale kognitive Auffälligkeiten sowohl bei Patientinnen nach einer Chemotherapie als auch bei Patientinnen, die ohne Chemotherapie behandelt worden waren. Wie vermutet, hingen die Auffälligkeiten mit posttraumatischem Stress zusammen.
„Es ist gut nachgewiesen, dass posttraumatischer Stress – nicht zu verwechseln mit normalem Alltagsstress – tief in die Arbeitsweise des Gehirns eingreift“, erklärt Studienleiterin Hermelink. „Eine Krebserkrankung kann als Trauma erlebt werden. Deshalb war es naheliegend, die Hypothese aufzustellen, dass kognitive Auffälligkeiten bei Krebspatientinnen eine Folge von posttraumatischer Stressbelastung sind.“An der Studie nahmen 166 Frauen teil, bei denen Brustkrebs neu diagnostiziert worden war. Die Kontrollgruppe bestand aus 60 Frauen, bei denen eine Routineuntersuchung der Brust keinen Verdacht auf Krebs ergeben hatte. Zu drei Zeitpunkten innerhalb eines Jahres wurden alle Teilnehmerinnen mittels eines klinischen Interviews auf posttraumatische Symptomatik hin untersucht.
„Unser Gehirn verändert seine Funktionsweise und auch seine Struktur ständig in Abhängigkeit von dem, was wir tun und erleben“, sagt Hermelink. „Es wäre sonderbar, wenn all das, was eine Krebserkrankung an Folgen mit sich bringt, spurlos am Gehirn und den kognitiven Funktionen vorübergehen würde.“Für Patientinnen seien die Ergebnisse eine gute Nachricht: Sie müssten nicht damit rechnen, durch neurotoxische Wirkungen der Chemotherapie zwangsläufig eine Schädigung ihrer kognitiven Funktionen zu erleiden. (LMU/ Journal of the National Cancer Institute)