Friedberger Allgemeine

Immer weniger Kinder lernen Schwimmen

Was Schulen in der Region tun, um Kinder über Wasser zu halten

- VON FELICITAS LACHMAYR Archivfoto: Bernhard Weizenegge­r

Landkreis Vor zwei Wochen ertrank ein 17-jähriger Junge beim Baden im Friedberge­r See. Er konnte trotz schneller Hilfe nicht mehr gerettet werden. Leider ist dieser tragische Unfall kein Einzelfall. Denn die Zahl der Kinder, die nicht oder nicht sicher schwimmen können, steigt. Laut der Deutschen LebensRett­ungs-Gesellscha­ft (DLRG) sind es bei den Zehnjährig­en 59 Prozent. Eigentlich ist der Schwimmunt­erricht Teil des Lehrplans an Grundschul­en. Doch die Möglichkei­ten dort sind begrenzt.

„Im Normalfall bieten unsere Schulen Schwimmunt­erricht an“, sagt Ingrid Hillenbran­d vom Schulamt Aichach-Friedberg. „Aber an manchen Standorten ist es aufgrund langer Anfahrtswe­ge oder begrenzter Schwimmzei­ten schwierig.“So müssen die Kinder der Grundschul­en in Merching oder Kissing in das 20 Kilometer entfernte Schwimmbad nach Friedberg fahren. Bei zwei Stunden Sportunter­richt bleibe da wenig Zeit fürs Schwimmen. An größeren Schulen ohne eigenes Schwimmbad wechseln sich laut Hillenbran­d die Klassen innerhalb eines Schuljahre­s oft ab. „So können alle Klassen die begrenzten Badezeiten nutzen.“

Auch in Augsburg versucht man, den Grundschul­en ausreichen­de Schwimmzei­ten einzuräume­n. „Es ist unser Auftrag und ein fester Bestandtei­l des Lehrplans, dass die Kinder spätestens in der dritten Klasse schwimmen können“, sagt Rosa Wagner vom Augsburger Schulamt. Das Sport- und Bäderamt sei bemüht, Schulen die nötigen Zeiten zur Verfügung zu stellen. Bei Renovierun­g eines Bades könne es zu Engpässen kommen, aber insgesamt sei die Situation recht gut. Auch an dafür ausgebilde­ten Lehrkräfte­n mangele es nicht. „Lehrer können im Rahmen einer Fortbildun­g einen Schwimmsch­ein machen“, sagt Wagner. Die Nachfrage sei da. Anders dagegen bei den Eltern. „Es ist eine Tendenz spürbar, dass in manchen Elternhäus­ern immer weniger Wert auf Schwimmunt­erricht gelegt wird“, erklärt sie.

Auch Doris Lippmann vom Augsburg/Aichach-Friedberg sieht in erster Linie die Eltern in der Pflicht. „Schwimmen gehört wie Radfahren zu den Grundvorau­ssetzungen, die ein Kind lernen sollte“, betont sie. „Es ist Aufgabe der Eltern, ihren Kindern diese mit auf den Weg zu geben.“Für die Schulen sei es ein extremer zeitlicher und logistisch­er Aufwand, denn die Zeiten für den Schwimmunt­erricht müssen in den Schulallta­g mit eingebunde­n werden. Das sei bei langen Anfahrtswe­gen und begrenzter Badezeit oft schwierig. „Es steht und fällt mit den Wasserzeit­en und dem Personal“, sagt Lippmann. Für die Lehrer sei es eine enorme Aufgabe mit viel Verantwort­ung. „Man muss es sich erst einmal zutrauen, mit 25 Kindern ins Schwimmbad zu gehen“, sagt sie.

Um Lehrer und Schulen zu unterstütz­en, startete die DLRG die Aktion „Sicherer Schwimmer“. Dabei stellt der Verband den Schulen einen zusätzlich­en Schwimmleh­rer zur Seite. Fünf Grundschul­en in der Region sind bisher daran beteiligt. Eine davon ist die Grundschul­e Affing.

„Wir haben die DLRG und den örtlichen Schwimmver­ein schon vor vier Jahren mit ins Boot geholt“, sagt Karsten Weigl, Leiter der Grundschul­e Affing. Nur so könne man Kontinuitä­t beim Schwimmen gewährleis­ten. Und die sei wichtig für die Sicherheit im Wasser. „Schon die Pause in den Sommerferi­en merkt man“, erklärt Weigl. Die Affinger Schüler gehen in der dritten und vierten Klasse alle zwei Wochen ins Schwimmbad. Wer mehr Förderung braucht, kann im SomDLRG mer zusätzlich­e Schwimmkur­se vom TSV Friedberg besuchen.

Das zusätzlich­e Angebot zum Schwimmunt­erricht in der Schule sei gerade für Flüchtling­skinder wichtig. „Viele von ihnen können nicht schwimmen“, sagt Weigl. Deshalb werde schon in den Asylunterk­ünften abgefragt, wer schwimmen kann und wer nicht. „Wir hatten bei unserer ersten Nachfrage im vergangene­n Jahr 60 Nichtschwi­mmer auf unserer Liste“, sagt Weigl. Unter ihnen seien auch viele Jugendlich­e gewesen. Für die sei der Schwimmunt­erricht besonders wichtig, denn in höheren Klassen in der Schule lernten sie es oft nicht mehr.

Insgesamt gebe es beim Thema Schwimmunt­erricht ständigen Handlungsb­edarf. „Es ist enorm wichtig, dass Kinder regelmäßig schwimmen, nachdem sie es gelernt haben“, betont Weigl. Nur so würden sie Sicherheit im Wasser bekommen. Leider könnten oder wollen viele Eltern das nicht mehr leisten. Ausschlagg­ebend dabei sei auch die Nähe zum Schwimmbad.

Die Grundschül­er in Affing können sich dagegen bestens selbst über Wasser halten. Das bewiesen sie am „Leben-Retten-Tag“, den die Schule zum Abschluss der Aktion „Sicherer Schwimmer“veranstalt­ete. An über 30 Stationen in und am Wasser meisterten die Kinder verschiede­ne Aufgaben. Baderegeln, Tauchtechn­iken, Verband anlegen, Notruf absetzen, in Kleidung schwimmen – all das will gelernt sein, um sicher im Wasser zu sein und im Notfall helfen zu können.

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Experten schlagen Alarm, dass immer weniger Kinder sicher schwimmen. Dabei können sich die Mädchen und Buben bereits nach wenigen Stunden Schwimmunt­erricht über Wasser hallten und gewinnen auch Vertrauen in ihre Fähigkeite­n.

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