Als Helden gefeiert – im Alltag im Stich gelassen?
Beim G20-Gipfel erlebten Polizisten extremen Hass. Sinkenden Respekt und wachsende Aggressionen spüren aber auch die Augsburger Beamten seit Jahren. Warum Hamburg daran wohl nicht viel ändern wird
DVON JÖRG HEINZLE ie Bilder aus Hamburg lassen keinen kalt. Brennende Barrikaden, Flaschen- und Steinwürfe, der Einsatz von Wasserwerfern und Tränengas. Und eine Menschenmenge, die skandiert: „Ganz Hamburg hasst die Polizei!“Polizisten überall in Land – auch jene, die nicht beim G20-Gipfel arbeiten mussten – waren schockiert und empört zugleich. Die Eskalation der Gewalt hat aber gleichzeitig eine Welle der Solidarität mit der Polizei ausgelöst. Im Internet übertrafen sich die Nutzer – auch in unserer Region – mit Danksagungen. Die in Hamburg eingesetzten Beamten wurden als Helden gefeiert.
Nun war der Großeinsatz tatsächlich eine enorme Belastung für die Polizisten. Eine körperliche und seelische Zumutung. Respekt dafür haben sich die Polizisten, darunter etwa 100 Beamte aus dem Raum Augsburg, redlich verdient. Die Frage ist nur: Was nutzen den Polizisten all die schönen Solidaritätsbekundungen in ihrem Alltag?
Denn was sich in Hamburg in einem Gewitter der Gewalt und des Hasses entlud, ist in seinen Ausläufern auch in Augsburg zu spüren. Der Respekt gegenüber Polizeibeamten lässt seit Jahren nach. Es ist kein Problem, das sich nur auf Links- oder Rechtsextremisten erstreckt. In Umfragen genießen Polizisten zwar höchstes Ansehen. Doch draußen, auf der Straße, erleben die Augsburger Beamten oft etwas anderes. Auch im Kontakt mit ganz normalen Bürgern. Auch bei Kleinkram wie einem Verkehrsverstoß reagieren Menschen inzwischen regelmäßig mit Aggressionen.
Besonders drastisch bekommen die Polizisten den Sinkflug des Respekts im Nachtleben zu spüren. Alkohol und andere Drogen entfalten hier ihre Wirkung. Dass sich Betrunkene ausfallend verhalten, ist nichts Neues. Inzwischen aber mischen sich regelmäßig Unbeteiligte in Einsätze ein. Sie stören, sie filmen mit Handys – und mitunter beleidigen und attackieren sie auch plötzlich grundlos die Polizisten.
Auch beim Fußball schlagen der Polizei immer wieder Wut und Aggressionen entgegen. Manche in der Ultraszene sehen vor allem die Polizei als Feindbild. Wenn Polizisten sich dem Block nähern, skandieren Hunderte Augsburger Fans schon mal lautstark „Bullenschweine“. Auf Aussagen von Augsburger Polizisten, sie seien besorgt über den Hass, der ihnen beim Fußball immer wieder entgegenschlage, reagierten Teile der Fanszene mit offener Häme. Und die Fraktion der Schönredner reicht weit ins gemäßigte Fanlager hinein. Die Polizei sei selbst schuld, heißt es dann. Sie provoziere durch ihre Anwesenheit. Die Eskalation gehe auch von den Beamten aus. Teils hörte man solche Argumente in der Vergangenheit auch von jenen, die mit dem Blick auf Hamburg jetzt fordern, die Polizei müsse gegen Störer viel strenger vorgehen.
Vielleicht ändert sich jetzt ja wirklich was in den Köpfen. Vielleicht reagiert der ein oder andere beim nächsten Mal, wenn ihn die Polizei zum Beispiel als Temposünder erwischt, nicht patzig, sondern freundlich. Die Beamten machen schließlich nur ihren Job. Allzu viele Illusionen sollte man sich aber nicht machen. Auch voriges Jahr, nach den Attentaten von Würzburg, Ansbach und München, war die Dankbarkeit gegenüber der Polizei groß und geriet dann doch wieder in Vergessenheit. Es ist, auch wenn es abgedroschen klingen mag, ein gesellschaftliches Problem.
Den Verfall des Respekts beklagen schließlich auch andere – etwa Lehrer, Sanitäter oder Feuerwehrleute. Daran wird sich auch nichts ändern, solange nicht ein Umdenken einsetzt. Die persönliche Freiheit und Entfaltung steht oft über allem. Die Polizei wird in diesem Klima schnell als lästiger Störfaktor gesehen. Als ein Spielverderber.
Auch der politische Rückhalt könnte größer sein. Als es in Augsburg um die Frage ging, ob eine nächtliche Sperrzeit für Kneipen und Diskotheken die Gewalt im Nachtleben reduzieren könnte, wollten sich die meisten Lokalpolitiker auf die Diskussion erst gar nicht einlassen. Scheinbar war der Blick auf die jungen Wähler dann doch wichtiger als die Bedürfnisse von Polizisten, die in manchen Nachtschichten am Limit arbeiten.
Zur Debatte gehört auch, dass die Polizei bei bestimmten Gruppen von Ausländern, die hier leben, ebenfalls mit fehlendem Respekt konfrontiert ist. Das gilt gerade für jene Zuwanderer, in deren Heimat die Polizei viel rigoroser und rücksichtsloser agiert. Und es gilt für Milieus, in denen sich Männer von Frauen nicht viel sagen lassen. Beamte, die denselben Hintergrund haben, können wichtige Vermittlungsarbeit leisten. Es ist gut, dass vermehrt Polizisten mit ausländischen Wurzeln eingestellt werden.
Zuletzt haben in Augsburg einige „schwarze Schafe“das Bild von der Polizei getrübt. Etwa in dem Fall, in dem ein Jugendlicher verprügelt wurde, weil ein Beamter seinen Notruf abwimmelte. Es sind aber Einzelfälle. Fehler einzugestehen, ist keine Schwäche, es verdient Respekt. Hier gab es vor etlichen Jahren noch Nachholbedarf bei der Polizei. Doch es hat sich viel verändert. Wer sich falsch verhält, kann nicht damit rechnen, dass Kollegen und Vorgesetzte ihn decken.
Es trifft auch andere: Lehrer, Sanitäter, Feuerwehrleute