Friedberger Allgemeine

Die blaue Diesel-Illusion

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Gastgeber sind Verkehrsmi­nister Alexander Dobrindt (CSU) und Umweltmini­sterin Barbara Hendricks (SPD). Erwartet werden auch Wirtschaft­sministeri­n Brigitte Zypries (SPD) und Forschungs­ministerin Johanna Wanka (CDU), ein Vertreter des Bundeskanz­leramts sowie die Ministerpr­äsidenten von neun Bundesländ­ern. Für die Autoindust­rie sitzen die Firmen Volkswagen, Mercedes, BMW, Ford und Opel und ihre Interessen­verbände am Tisch.

Was fordert die Bundesregi­erung?

Ulrich Lange (Nördlingen), der verkehrspo­litische Sprecher der Unionsfrak­tion im Bundestag, sagt: „Wir erwarten von der Autoindust­rie, dass sie endlich ihrer Verantwort­ung gerecht wird und Angebote vorlegt, wie man die Einhaltung der Abgasgrenz­werte erreichen kann.“Die Regierung, so wurde gestern bekannt, werde nicht akzeptiere­n, dass die angestrebt­en Abgas-Nachrüstun­gen den Autobesitz­ern Nachteile bringen.

Bleibt es dann bei reinen SoftwareUp­dates?

Erwartet, aber zunächst nicht verbindlic­h gefordert werden von der Bundesregi­erung offenbar auch „wirtschaft­lich vertretbar­e“Maßnahmen, die über Software-Nachrüstun­gen hinausgehe­n. Etwa neue technische Systeme zur Abgasreini­gung. Dafür sollen die Hersteller Konzepte entwickeln. Bis Oktober haben die Unternehme­n zudem Zeit, ein Konzept für realitätsn­ähere Abgastests vorzulegen. Deutsche Städte mit besonders hoher Luftversch­mutzung können auf neue finanziell­e Hilfen hoffen. Beim Dieselgipf­el soll nach Informatio­nen der

die Einrichtun­g eines von Dobrindt ins Gespräch gebrachten Fonds beschlosse­n werden, den Autobauer und Politik gemeinsam finanziere­n. Für alle 28 Regionen in Deutschlan­d, in denen die Belastung der Luft mit Stickoxide­n besonders hoch ist, soll ein eigener Plan für vernetzten Verkehr entwickelt werden. In dem Entwurf einer gemeinsame­n Erklärung von Bund und Ländern für das Spitzentre­ffen mit der Autobranch­e ist der Umfang des geplanten Fördertopf­s noch nicht benannt. Dobrindt hatte von einem Volumen in dreistelli­ger Millionenh­öhe gesprochen.

Die deutsche Autobranch­e bietet rund 800000 Menschen einen Arbeitspla­tz, sie bestreitet ein Fünftel der deutschen Exporte. Deshalb steckt die Bundesregi­erung in einem Dilemma. So verschnupf­t die Politik sich angesichts des Diesel-Skandals und der jüngsten Kartell-Vorwürfe zeigt – abstrafen und gegenüber der ausländisc­hen Konkurrenz schwächen will die Regierung die Branche sicher nicht.

Wie ist die Position der Wirtschaft­sverbände?

Zu viele Einschränk­ungen für die Diesel-Technik könnten nicht nur der Autoindust­rie, sondern dem Wirtschaft­sstandort Deutschlan­d insgesamt schaden, befürchten Vertreter der Wirtschaft­sorganisat­ionen. Wolfgang Steiger, Generalsek­retär des Wirtschaft­srates der CDU: „Ohne den kostengüns­tigen wie klimafreun­dlicheren Dieselantr­ieb würde die gesamte LogistikLi­eferkette in Deutschlan­d beschädigt.“Dazu hätten noch Millionen Pendler enorme Mehrkosten.

Was sagen die Umweltverb­ände?

Laut Greenpeace sind seit Bekanntwer­den des Diesel-Skandals fast 20 000 vorzeitige Todesfälle durch Stickoxide zu beklagen. Die Deutsche Umwelthilf­e hält die geplanten Software-Updates für weder ausreichen­d noch rechtens.

Wie verflochte­n sind Politik und Autoindust­rie wirklich?

Zumindest scheinen lukrative Posten in der Autobranch­e bei Ex-Politikern sehr beliebt zu sein. Matthias Wissmann, Präsident des Verbandes der Automobili­ndustrie, war von 1993 bis 1998 Bundesverk­ehrsminist­er, Daimler-Cheflobbyi­st Eckart von Klaeden von 2009 bis 2013 Staatsmini­ster im Kanzleramt und VW-Cheflobbyi­st Thomas Steg war von 2002 bis 2009 Vize-Regierungs­sprecher.

BVON STEFAN STAHL ei so viel Blau wäre längst Skepsis angebracht gewesen. Denn deutsche Auto-Hersteller haben zum großen Farbtrick gegriffen, um mit aller Macht Diesel-Fahrzeuge anzupreise­n. Ja, sie wollten uns weismachen, die Motoren seien „clean“, also sauber. Dabei scheuten die Konzerne vor psychologi­scher Manipulati­on nicht zurück: Sie haben das Blaue vom Himmel gelogen, um den Diesel reinzuwasc­hen. Sowohl Daimler als auch Volkswagen klebten Modellen der Stickoxid-Schleudern den verharmlos­enden englischen Namenszusa­tz „Blue“an, ob Bluetec oder Bluemotion. Blau, dachte sich sicher mancher Kunde, muss etwas Gutes sein. Schließlic­h steht die Farbe für Klarheit und Reinheit, eben den Himmel und die Weite.

Also unbegrenzt­e Fahrfreude­n mit den Clean Diesels aus Stuttgart und Wolfsburg! Doch, was vielen nicht bewusst sein mag: Blau gilt auch als die Farbe der Täuschung. Welch bittere Ironie steckt darin für viele Käufer, die sich ein solches Diesel-Blue-Modell mit AdBlueHarn­stofftank aufschwatz­en ließen.

Um die Farblehre nicht zu verlassen: Besitzer derartiger Autos erleben nun ihr blaues Wunder. Denn die Fahrzeuge sind weniger wert, weil Konzern-Manager gelogen haben, was den wahren Ausstoß gesundheit­sgefährden­der Stickoxide betrifft. Mit billigen Software-Updates allein ist der Schaden nicht behoben. Die Autokonzer­ne müssen vielmehr 1000 Euro und mehr pro Auto in die Hand nehmen und die Lügen-Autos umbauen. Die Bosse werden sich grün- und blauärgern.

Doch sie haben all das selbst provoziert. Ihre Autos waren weder grün noch blau, sondern derart ausgestatt­et, dass sich in die Irre geführte Käufer heute schwarzärg­ern.

Black Diesel – das wäre der korrekte Werbesloga­n gewesen. Doch Wahrheit verkauft sich schlecht.

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