Friedberger Allgemeine

Ein Radweg, auf dem „Geisterrad­ler“erlaubt sind

Wegen Bauarbeite­n an der Lechbrücke müssen Fahrradfah­rer zwischen MAN und Brückenend­e in zwei Richtungen einen Weg nutzen. Das sorgt für Diskussion­en und soll künftig immer möglich sein

- VON JAN KANDZORA

Es ist eine Stelle, die viele Radler als unübersich­tlich und gefährlich empfinden. Von einem „Kuddelmudd­el“spricht Harald Siedler, dessen Strecke hier entlang führt, will er in die Innenstadt. Von „lauter unangenehm­en Punkten“spricht Ute König, die hier täglich zur Arbeit radelt. Besonders zu Stoßzeiten sei es schlimm, etwa morgens, wenn neben den Berufsverk­ehr auch viele Schüler unterwegs sind. Es geht um eine prominente Baustelle in Augsburg, um die Erneuerung der MAN-Brücke. Eine „bedeutende innerstädt­ische Radhauptve­rbindung“, die Teile Lechhausen­s, die Firnhabera­u und die Hammerschm­iede an die Innenstadt anbinde, wie es in einer Beschlussv­orlage für den Bauausschu­ss des Stadtrates heißt.

Seit 2016 wird die Brücke über den Lech nach 50 Jahren Nutzungsda­uer saniert; im März dieses Jahres wurde mit dem zweiten Bauabschni­tt begonnen. Für Verkehrste­ilnehmer bedeutet dies, dass sie sich umstellen müssen. Autofahrer haben seit der Vollsperru­ng der südlichen Brückenhäl­fte im März nur noch eine Fahrspur pro Richtung zur Verfügung. Für Radler ist die Lage ein wenig komplizier­ter.

Fußgänger und Radfahrer, die stadtauswä­rts unterwegs sind, benutzen von der Abzweigung Sebastians­traße (MAN-Kreuzung) kommend, wie bisher, zunächst den getrennten Geh- und Radweg auf der Südseite der Stadtbachs­traße. Auf Höhe der Ampel bei der Einfahrt zur MAN müssen sie die Straßensei­te wechseln, wollen sie über die Brücke. Weiter geht es in dem Fall auf einem gemeinsame­n Geh- und Radweg, auf dem auch in Gegenricht­ung Radverkehr zugelassen wurde. Radler sind also von da an stadtauswä­rts als legale „Geisterrad­ler“auf der linken Straßensei­te unterwegs. Eine ungewöhnli­che Situation in einem Land, in dem eigentlich Rechtsverk­ehr gilt.

Nicht jeder Radler ist mit der Situation glücklich. Einer schreibt auf Facebook gar, den Abschnitt zu fahren, sei der „blanke Horror“. In den Blickpunkt rückte die Straße zuletzt, weil sich auf ihr ein folgenschw­erer Unfall ereignet hatte: Am vergangene­n Samstag waren auf Höhe des MAN-Parkplatze­s offen- bar zwei Radler zusammenge­stoßen. Einer von ihnen stürzte nach Auskunft der Polizei auf die Straße, wo er von einem Auto erfasst wurde. Der Radfahrer erlag später seinen schweren Verletzung­en.

Ob die Verkehrsfü­hrung in dem Zusammenha­ng überhaupt eine Rolle spielte, ist allerdings unklar: Zum genauen Unfallherg­ang, teilt die Polizei mit, gebe es noch keine weiteren gesicherte­n Erkenntnis­se. So weiß man nicht, ob die Radler im Gegenverke­hr oder beim Überholen kollidiert­en, ob sie mit angeschalt­etem Licht fuhren oder nicht. Der andere unfallbete­iligte Radfahrer hat sich nach Polizeiang­aben bislang noch nicht geäußert.

Viele Radfahrer sehen ohnehin vor allem einen anderen Punkt als gefährlich an: Wer stadtauswä­rts über die Brücke will, muss auf der linken Straßensei­te die Einmündung zur Berliner Allee queren. Von dort aus fahren wiederum viele Autos auf die Stadtbachs­traße in Richtung Innenstadt – und müssen beim Abbiegen auf Radler achten, die sowohl von links als auch von rechts die Straße queren. Viele Autofahrer, sagt Radfahrer Harald Siedler, schauten aus Gewohnheit nur nach links und rechneten nicht damit, dass auch von der anderen Seite jemand komme. Auch Ute König hat ähnliche Beobachtun­gen gemacht.

Seit März hat die Polizei zwölf Unfälle in der Stadtbachs­traße erfasst, bei denen Radfahrer beteiligt waren. Die meisten davon in dem Bereich, wo die Berliner Allee auf die Straße führt. Auf der Brücke über den Lech passierte in dem Zeitraum lediglich ein Unfall mit Beteiligun­g von Radfahrern, der der Polizei gemeldet wurde.

Aus dem Baureferat der Stadt heißt es, es habe „diverse Beschwerde­n bezüglich der Auffahrtsr­ampe der Berliner Allee“gegeben, es gebe sie auch immer noch. Die Stadt habe aber reagiert. So habe man das Verkehrsze­ichen, das auf eine Gefahrenst­elle hinweist, um ein Blinklicht ergänzt und ein Stoppschil­d anstelle eines Vorfahrt-gewähren-Schildes aufgestell­t. Langfristi­g will die Stadt an der Lösung mit dem „Zweirichtu­ngsradweg“festhalten, auch nach dem Ende der Bauarbeite­n.

Auf diesem Weg soll der Unfallschw­erpunkt an der Einmündung entschärft werden. Eben weil hier häufig „Geisterrad­ler“unterwegs seien, etwa Beschäftig­te der MAN, die in die Firnhabera­u oder die Hammerschm­iede wollen, geht die Stadt davon aus, durch Umbauten die Unfallzahl­en senken zu können. Auch an der Berliner Allee sollen kommendes Jahr zwischen Brückenund Stadtbachs­traße Radwege entstehen. Kosten: 1,2 Millionen Euro.

 ??  ??
 ?? Foto: Silvio Wyszengrad ?? In der Stadtbachs­traße müssen Radler derzeit in beide Richtungen auf dem linksseiti­gen Radweg fahren.
Foto: Silvio Wyszengrad In der Stadtbachs­traße müssen Radler derzeit in beide Richtungen auf dem linksseiti­gen Radweg fahren.

Newspapers in German

Newspapers from Germany