Spenden für kranke Kinder kamen nicht an
Die Kinderkrebshilfe Bayern e. V. sammelte über mehrere Jahre hinweg Gelder. Doch nun ermittelt die Staatsanwaltschaft. Hat die ehemalige Vorsitzende 40000 Euro abgezweigt, um einen privaten Kredit zu tilgen?
Augsburg Es klingt gut, was der Verein mit Sitz in Adelsried im Kreis Augsburg auf seiner Internetseite schreibt. Man wolle, heißt es, „für Kinder mit Krebs und ihre Familien eine starke Stütze“sein. Fotos zeigen Kinder, die trotz Krankheit wieder lächeln können. Mit wenigen Mausklicks kann man dort auch für die Kinderkrebshilfe Bayern e. V. spenden. In den vergangenen Jahren haben das offenbar viele getan. Auf der Spendenseite des Vereins im Internet wird eine Summe von fast 150 000 Euro genannt.
Doch nun gerät der Förderverein immer stärker ins Zwielicht. Ein erheblicher Teil der Spenden ist offensichtlich nie für krebskranke Kinder eingesetzt worden. Nach Informationen unserer Redaktion ermittelt die Augsburger Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts der Untreue gegen drei Beschuldigte. Vor einigen Wochen durchsuchten Polizisten die Wohnungen von Verdächtigen. Im Zentrum der Ermittlungen steht offenbar Eva B.*, die frühere Vorsitzende. Die Frau soll, so lautet ein Verdacht, 40 000 Euro vom Vermögen der Kinderkrebshilfe abgezweigt haben, um einen privaten Kredit zu tilgen. Die Ermittler gehen auch dem Verdacht nach, dass noch weiteres Geld von Verantwortlichen des Vereins für Privatausgaben genutzt worden sein könnte.
Es geht nicht nur um dubiose Machenschaften in dem KrebshilfeVerein. Eine Rolle spielt in dem Fall zudem ein Ehekrach. Denn im Vorstand des Vereins saß auch Hans-Jochen B.*, der Ehemann der Vorsitzenden. Das Paar, das gemeinsam in Adelsried lebte, hat sich vor zwei Jahren im Streit getrennt. Der Mann sagt heute, die Kinderkrebshilfe sei eigentlich nie ein echter Verein gewesen, sondern eine „One-ManShow“. Seine Frau habe alle Fäden in der Hand gehalten. Im Verein – und ganz offensichtlich auch privat. Er sei als Monteur teils monatelang im Ausland eingesetzt gewesen. Seine Frau habe Vollmachten für sein Konto und für das Vereinskonto besessen. Er erzählt, dass er sich sogar um seine eigenen Finanzen nicht richtig gekümmert habe. Hans-Jo- chen B. sagt heute: „Das war wohl eine Schwachstelle bei mir.“Ein weiteres Vorstandsmitglied, eine 78-jährige Frau, leide an Demenz. Auch sie habe faktisch nichts zu melden gehabt im Verein.
Der Ehestreit wirkte sich direkt auf die Kinderkrebshilfe aus. Gut ein Jahr nach der Trennung des Paars fand im November 2016 eine Versammlung des Vereins statt. Acht oder neun Mitglieder seien zusammen gekommen, erzählt ein Zeuge. Eva B. wurde in dieser Sitzung als Chefin des Vereins abgesetzt, Hans-Jochen B. ließ sich zum neuen Vorsitzenden wählen. Während die Kriminalpolizei nun dem nachgeht, dass Spendengelder veruntreut worden sind, beschäftigt ein Rechtsstreit in der Sache bereits die Justiz. Dabei handelt es sich aber nicht um das Strafverfahren, sondern um einen privaten Rechtsstreit. Die Kinderkrebshilfe – jetzt vertreten durch Hans-Jochen B. – klagt vor dem Landgericht gegen Eva B. Der Verein will von der Ex-Vorsitzenden unter anderem wissen, wo 40 000 Euro Spendengeld geblieben sind. Hans-Jochen B. geht davon aus, dass seine Frau den Betrag im Januar 2016 abzweigte, um einen Privatkredit zu tilgen. Ein paar tausend Euro seien sogar noch übrig geblieben. Die habe sie dann einfach auf ihr privates Konto einbezahlt. Hans-Jochen B. will diese Geldflüsse damals nichts bemerkt haben, sondern erst später. Sie liefen zwar teils über sein Girokonto. Er sei aber, sagt er, zu der Zeit beruflich viel im Ausland gewesen.
Offen ist, ob Richter Christoph Kern ihm das glauben wird. „Irgendwas kann nicht stimmen“, sagt der Richter in dieser Woche bei einem Prozesstermin. Und er wird noch deutlicher: „Einer lügt.“Während Hans-Jochen B. im Gerichtssaal erscheint, lässt sich Eva B. von ihrem Anwalt vertreten. Sie soll inzwischen im Raum Stuttgart leben. Ihr Anwalt legt ein Attest vor, woVerdacht nach Eva B. gesundheitlich so angeschlagen sei, dass sie nicht kommen könne. Der Zettel reicht dem Richter nicht. Er macht klar, dass er einen strengen Kurs einschlagen wird. Der Richter fordert ein „aussagekräftiges“Dokument zu ihrem Gesundheitszustand. Andernfalls müsse sie sich vom Amtsarzt untersuchen lassen – und in letzter Konsequenz mit Ordnungshaft rechnen.
Den Verdacht, dass es bei dem Verein nicht mit rechten Dingen zugeht, gibt es schon länger. Zwar hatte der Verein tatsächlich in einigen Fällen Kliniken und auch betroffene Familien unterstützt. Die Beträge waren aber meist überschaubar. Auf der Internetseite steht auch, der Verein begleite „tiergestützte Therapien“in Augsburg. Zu sehen sind aber Bilder vom Stadtberger Ziegelhof, wo die Stiftung Bunter Kreis eine tiergestützte Therapiestation für chronisch kranke Kinder betreibt. Deren Geschäftsführer Horst Erhardt sagte Anfang des Jahres unserer Zeitung: „Wir haben einmal
Ins Zwielicht geriet der Verein schon vor einiger Zeit
eine kleinere Geldspende von dem Verein bekommen“. Danach habe man bemerkt, dass Bilder des Therapiezentrums genutzt wurden – ohne Zustimmung. „Wir haben zweimal schriftlich darum gebeten, diese Irritationen aufzuklären. Eine Antwort haben wir nicht erhalten.“Die Fotos sind noch immer auf der Internetseite. Und es kann über einen Knopf auf der Seite nach wie vor direkt Geld an den dubiosen Verein gespendet werden.
Hans-Jochen B. sagt, seine von ihm getrennte Frau habe noch immer die Zugangsdaten für die Internetseite. Das Konto des Vereins sei aber inzwischen gesperrt, sagt Andreas Lutz, der den Verein in dem Zivilprozess vertritt. Der Verein sei derzeit faktisch nicht aktiv. Die Ermittlungen der Kripo laufen derweil weiter. Die Prüfung, wie viele Spenden der Verein bekommen hat und wohin das Geld am Ende wirklich geflossen ist, werde wohl noch einige Zeit dauern, heißt es bei den Ermittlern.