Konfliktstoff für eine neue Weltkrise
Während sich Donald Trump und der nordkoreanische Diktator Kim Jong Un gegenseitig wüst beschimpfen, eskaliert der Konflikt um den Iran-Atom-Deal. Eine Mischung, die brisanter kaum sein könnte
Peking/New York Atemlos schaut die Welt zu, wie die internationale Politik fast parallel in zwei Krisen schlittert – beide haben das Potenzial, existenzielle Erschütterungen auszulösen. Und das im wahrsten Sinne des Wortes: Denn bei beiden Konflikten geht es um Atomwaffen. Der USA-Präsident Donald Trump scheint es sich zum Ziel gesetzt zu haben, gleich zwei Mächte notfalls mit Gewalt daran zu hindern, zu Atommächten aufzusteigen: Bei seinem ersten Auftritt vor der UN-Generalversammlung attackierte er Nordkorea und den Iran mit fast beispiellosem Furor. Die Angegriffenen antworteten nicht weniger deutlich.
Die Replik des nordkoreanischen Diktators Kim Jong Un hat es in sich. Kim beleidigte Trump persönlich: „Wir werden mit klaren Handlungen die Äußerungen des schwerhörigen Tattergreises reagieren“, sagte Kim. „Ich werde den geistig zerrütteten US-Tattergreis mit Feuer züchtigen.“Trump sei senil, instabil und geistig nicht in der Lage, eine Weltmacht zu führen. Der nordkoreanische Botschafter bei den Vereinten Nationen, Ri Yongho, ging im Gespräch mit Journalisten in New York noch weiter. Er stellte den Test einer Wasserstoffbombe über dem Pazifik in Aussicht. „Die letzte Entscheidung darüber liegt beim Genossen Kim Jong Un“, sagte Ri. Trump werde bitter dafür bezahlen müssen, mit der „Zerstörung“Nordkoreas gedroht zu haben.
Ein oberirdischer Atomtest wäre ein ungeheuerlicher Tabubruch. Die USA und die Sowjetunion haben sich bereits 1963 geeinigt, Nuklearwaffen nur noch unterirdisch auszuprobieren. Oberirdische Tests hatten zuvor große Mengen radioaktiver Isotope in die Atmosphäre geblasen. Auch Nordkorea hat sich bei seinen bisherigen Tests daran gehalten und die Geräte in tiefen, versiegelten Stollen detoniert. Den bisher letzten oberirdischen Atomtest hat im Jahr 1980 China gewagt.
Was noch schlimmer ist: Kim würde die Wasserstoffbombe mit einer Rakete ins Zielgebiet tragen las- Damit könnten seine Militärs beweisen, dass sie über die Technik verfügen, ferne Länder atomar anzugreifen. Eine massive Bedrohung durch Kims Bomben nicht nur für das benachbarte Japan, sondern auch für die USA. Und Kims Rhetorik weist darauf hin, dass er zu einer weiteren Eskalation bereit ist. „Jetzt, wo Trump die Existenz meines Landes geleugnet und mich persönlich vor aller Welt beleidigt hat, sehe ich das als die heftigste Kriegserklärung in der Geschichte“, sagte Kim. „Wir erwägen nun ernsthaft die härtesten, entsprechenden Gegenmaßnahmen in der Geschichte.“
Es fällt jedoch auf, dass Kim nicht – wie sonst – dem amerikanischen Volk droht, sondern sich auf Trump konzentriert. Auch Südkorea und Japan tauchen nicht auf. Aus seiner Sicht scheint es sich um den Showdown zweier mächtiger Männer zu handeln.
Spätestens nach dem denkwürdigen UN-Auftritt des US-Präsidenten von New York liegt offen, wie eng die beiden Konflikte verknüpft sind. Bundesaußenminister Sigmar Gabriel (SPD) rechnet damit, dass ein Ausstieg der USA aus dem Atomabkommen mit dem Iran Auswirkungen auf den NordkoreaKonflikt haben würde. Wenn das einzige Beispiel für einen gelungenen Atomvertrag zerstört werde, „dann ist meine große Sorge, dass wir keine Chance haben, Nordkorea daran zu hindern, eine Atombombe zu entwickeln“, sagte Gabriel am Donnerstag in New York. „Und dann werden andere dem folgen. Dann wird die Welt eine weitaus gefährlichere sein.“Mit dieser Befürchtung ist Gabriel nicht alleine.
Demonstrativ in die Offensive ging nach Trumps Attacken schließlich nicht nur Pjöngjang, sondern auch Teheran: Der iranisen. sche Präsident Hassan Ruhani hat einen Ausbau der militärischen Kapazitäten und des Raketenprogramms seines Landes angekündigt. „Wir werden nicht nur unsere Raketen, sondern auch unsere Luft-, Land- und Seestreitkräfte stärken“, kündigte Ruhani bei einer Militärparade in Teheran zum Beginn des Iran-Irak-Kriegs vor 37 Jahren an.
Gemäß dem Wiener Atomabkommen von Juli 2015 hat der Iran sein Atomprogramm deutlich reduziert und sich strengen Kontrollen durch die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) unterworfen. Im Gegenzug wurden im Januar 2016 die von den USA, der Uno und der EU im Atomstreit verhängten Sanktionen aufgehoben. Die IAEA bestätigte, dass der Iran das Abkommen genau einhält. Auch Trumps Regierung bestätigte die Einhaltung des Abkommens, warf aber Teheran vor, mit dem fortgesetzten Ausbau seines Raketenprogramms und seiner Politik in der Region gegen den „Geist“der Vereinbarung zu verstoßen. Die Mitunterzeichner Großbritannien, Frankreich und Deutschland ebenso wie Russland und China warnen vor einer Aufkündigung des Abkommens. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron sprach sich allerdings jüngst dafür aus, das Abkommen durch Bestimmungen zu ergänzen, die dem Iran die Entwicklung ballistischer Raketen untersagen.
„Dann wird die Welt eine weitaus gefährlichere sein.“Außenminister Sigmar Gabriel warnt vor einem Ausstieg aus dem Atom Deal