Servus, Bundestag!
Sie haben die deutsche Politik mitgeprägt. Aber irgendwann muss auch mal Schluss sein. Prominente Abgeordnete erzählen, mit welchen Gefühlen und Erinnerungen sie nach vielen Jahren das Parlament verlassen
Berlin Sie haben die deutsche Politik teils jahrzehntelang mitgeprägt, manche harte Debattenschlacht geschlagen, ausgeteilt und eingesteckt, doch jetzt ist Schluss. Eine ganze Reihe prominenter Abgeordneter tritt nicht mehr an. Wir haben einige der bekanntesten von ihnen gefragt, mit welchen Gefühlen sie Abschied vom Bundestag nehmen.
Talkshow-Dauergast und CDUUrgestein Wolfgang Bosbach, 65, der die Kanzlerin für ihren Kurs in der Euro- und Flüchtlingspolitik kritisierte, hat sich die Entscheidung, nicht erneut für den Bundestag zu kandidieren, „lange und gut überlegt“. Der an Krebs erkrankte Rheinländer sagt: „Es ist doch besser, man geht zu einem Zeitpunkt, bei dem noch viele sagen, schade, dass er aufhört, als wenn viele murmeln, das wurde aber auch Zeit.“Wehmut sei natürlich dabei: „Es waren 23 anstrengende, aber auch erlebnisreiche, spannende Jahre. Ich habe großartige Menschen kennengelernt, auch in anderen Fraktionen.“Unvergessen bleibe ihm „die Rede von Papst Benedikt, dem ersten deutschen Papst, der im Parlament gesprochen hat“. Auf welche Erlebnisse er gerne verzichtet hätte? „Die habe ich schon vergessen“, sagt Bosbach. Und in Erinnerung bleiben wolle er einfach als „ein netter Kerl, der sein Bestes gegeben hat. Das reicht völlig.“
CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt, 67, blickt „in großer Dankbarkeit und ohne Wehmut“auf 30 Jahre Parlamentstätigkeit zurück. Nun sei genau der richtige Zeitpunkt, „das Staffelholz an jüngere Abgeordnete zu übergeben“. Ihre jetzige Tätigkeit, der Vorsitz der CSU-Landesgruppe im Deutschen Bundestag, sei die „span- nendste, einflussreichste und auch die schönste“gewesen. Unvergesslich aber werde ihr die Zeit der deutschen Wiedervereinigung bleiben: „Insbesondere die Nacht zum 3. Oktober 1990 war emotional und einzigartig, als hunderttausende Menschen am Reichstag jubelten und uns Kabinettsmitglieder auf den Stufen des Reichstags mit Tränen in den Augen bewusst wurde, jetzt ist Deutschland wirklich wiedervereint.“Umso schöner sei es für sie gewesen, die Wiedervereinigung anschließend aktiv mitzugestalten: „Als Bauministerin konnte ich den Neubau hunderttausender neuer und eine aktive Städtebausanierung vorantreiben.“
Als amtierende Bundeswirtschaftsministerin verabschiedet sich Brigitte Zypries, 63, aus der großen Politik. Gemächlich ausklingen lassen kann sie es nicht. Vom DieselSkandal über die Air-Berlin-Pleite bis zur Fusion der Stahlkonzerne ThyssenKrupp und Tata – die SPDFrau ist auf der Zielgeraden ziemlich beschäftigt. So teilt ihr Büro mit, es sei „derzeit nicht möglich“, Fragen zu ihrem Ausscheiden aus dem Bundestag zu beantworten. Dass sie nicht mehr kandidieren würde, hatte die Hessin bereits im vergangenen Jahr angekündigt. Damals ahnte sie wohl noch nicht, dass ihrer Karriere noch ein später Höhepunkt bevorsteht. Anfang des Jahres folgte sie auf Sigmar Gabriel, als der vom Wirtschafts- ins Außenministerium wechselte. Es ist bereits ihr zweiter Bundesministerposten. Von 2002 bis 2009 war sie für das Justizressort zuständig. Jetzt geht Zypries mit durchaus gemischten Gefühlen. Bei einer Wahlkampfveranstaltung in ihrer Heimat Darmstadt bekannte sie kürzlich mit feuchten Augen, dass sie „ganz gerührt“sei.
Für den homosexuellen MenWohnungen schenrechtspolitiker Volker Beck, 56, von den Grünen ist mit dem Beschluss der Ehe für alle im letzten von 23 Jahren im Bundestag ein Traum in Erfüllung gegangen. „Ein großartiges Erlebnis“, sagt Beck, „wenn man nach jahrzehntelangem Kampf so einen Knoten durchschlägt“. Als Höhepunkte seiner Politkarriere nennt Beck den Kampf für die Entschädigung von NS-Opfern wie Zwangsarbeitern und osteuropäischen Juden. Vieles sei ihm sehr zu Herzen gegangen: „Die Entscheidungen über Militäreinsätze waren die schwierigsten Auseinandersetzungen in meinen Abgeordnetenjahren.“Beck hatte während seiner Abgeordnetentätigkeit auch für Negativschlagzeilen gesorgt. Etwa als ihm im Zusammenhang mit der Pädophilie-Affäre der Grünen 2013 problematische Veröffentlichungen aus den 80er Jahren vorgehalten
„Insbesondere die Nacht zum 3. Oktober 1990 war emotional und einzigartig.“Gerda Hasselfeldt (CSU)
„Besser, man geht, wenn noch viele sagen: schade, dass er aufhört.“Wolfgang Bosbach (CDU)
wurden. Oder als 2016 Drogen bei ihm gefunden wurden. Jetzt freut er sich „auf das Mehr an Freiheit“.
Nach nur acht Jahren im Bundestag ist für Jan van Aken, 56, Schluss. „Zwei Perioden sind einfach genug“, sagt der Außenpolitiker von der Linken im Gespräch mit unserer Zeitung. Denn die Arbeit im Bundestag verändere die Parlamentarier: „Das ist wie bei Chefärzten, denen die Patienten ständig sagen, dass sie ihnen das Leben gerettet haben. Irgendwann heben die dann ab.“Gestört hätten ihn in den vergangenen Jahren auch „viele nutzlose Termine“. Auf seine Kampagne gegen deutsche Waffenexporte sei er dagegen sehr stolz. Von künftigen Abgeordneten erwarte er, dass sie es nie zur Normalität werden lassen, dass mit der AfD eine Partei im Bundestag sitze, in deren Reihen sich einzelne „zertifizierte Nazis“befänden.