Friedberger Allgemeine

Die deutschen Frauen schlagen zu

Die Europameis­terschaft in Aserbaidsc­han und Georgien läuft, und das Team kämpft um den Einzug in die Runde der letzten acht. Wie Abteilungs­leiter und Trainer aus der Region die Situation der Sportart sehen

- VON SEBASTIAN RICHLY UND PHILIPP SCHRÖDERS Sport1

Friedberg Es war ein echtes „Volleyball-Märchen“, das die deutsche Nationalma­nnschaft bei der Europameis­terschaft vor wenigen Wochen in Polen erlebte. Die Männer holten sensatione­ll Silber. Jetzt sind die Frauen an der Reihe. Am heutigen Mittwoch kämpfen sie gegen Bulgarien um den Einzug in die Runde der letzten acht. Vor zwei Jahren schieden die deutschen „Schmetterl­inge“, wie die weibliche Nationalma­nnschaft genannt wird, im Viertelfin­ale aus. Davor gab es zweimal in Folge Silber. Wie sehen die Volleyball­er im Landkreis die Entwicklun­g in ihrem Sport, und was trauen sie den deutschen Frauen zu?

Sabrina vom Scheidt ist seit vielen Jahren Leiterin der Volleyball­abteilung des Kissinger SC. Sie traut den deutschen Spielerinn­en viel zu. Die junge Mannschaft habe sich gut entwickelt. Allerdings stehe sie heute vor einer schweren Aufgabe. „Das wird nicht einfach, weil die Bulgaren nicht zu unterschät­zen sind.“Die Abteilungs­leiterin hat allerdings bisher die EM nur per Liveticker im Internet verfolgt. Sie findet schade, dass Volleyball­spiele nur sehr selten im Fernsehen gezeigt werden. „Dann schaut man eine OnlineÜber­tragung, doch die Leitung wird abgebroche­n. Das macht nicht wirklich Spaß“, sagt sie.

Immerhin sind bei ein paar Partien zu sehen. Bei den Männern war das noch anders. Der Sender entschloss sich erst spontan, das Finale gegen Russland zu übertragen. Die Leistung der Männer in Polen hat Sabrina vom Scheidt begeistert. Auf den Sport vor Ort wirken sich diese Großereign­isse aber ihre Meinung nach nicht aus. „Bei uns in Kissing merkt man nichts. Es gab keine vermehrten Anfragen.“Sie kann sich das höchstens in Volleyball­hochburgen wie Marktoffin­gen vorstellen. In Kissing laufe es zurzeit gut mit der ersten Mannschaft, die in der Bezirkskla­sse Nord vertreten ist. Schwierig sei die Nachwuchsa­rbeit. Viele Kinder zieht es zum Fußball oder Handball. Die, die sich für Volleyball interessie­ren, sind in der Schule so sehr eingebunde­n, dass sie es nachmittag­s nicht mehr ins Training schaffen. In Kissing gebe es aber ein paar „alte Hasen“, die die Abteilung am Leben erhalten.

Auch Wolfgang Ruf gefällt der Auftritt der deutschen Volleyball­erinnen. „Sie haben sich gut ver- kauft“, sagt der Abteilungs­leiter beim TSV Friedberg. Er glaubt aber auch nicht, dass sich Erfolge auf internatio­naler Ebene auf die Vereine vor Ort großartig auswirken. „Im Vergleich zu Fußball ist Volleyball eine Randsporta­rt, da muss man realistisc­h sein.“

Er sagt aber auch, dass es in anderen Ländern anders läuft. „In Polen sind Volleyball und Fußball gleichauf.“Ein Fußballspi­el könnte 90 Minuten lang langweilig verlaufen, beim Volleyball sei jeder Ballwechse­l spannend. Sein Verein setzte bei der Nachwuchsa­rbeit auf das Zusammenwi­rken mit den Schulen – zum Beispiel beim Programm „Sport nach 1“. Damit sollen Brücken geschlagen und Schüler für Volleyball begeistert werden. Der Trainer der ersten Friedberge­r Frauenmann­schaft, Alex Wiskirchen, freut sich, dass nun Spiele der Nationalma­nnschaft im Fernsehen zu sehen sind. Bei der Partie am Dienstag gegen Aserbaidsc­han hatte er ein Déjà-vu-Erlebnis, wie er sagt. „Der Angriff und die Mitte haben nicht funktionie­rt.“Ähnlich sei es seiner Mannschaft beim Auftakt am vergangene­n Wochenende in die Regionalli­ga ergangen. Da verloren die TSV-Volleyball­erinnen gegen den VCO München.

Am heutigen Mittwoch traut er der Nationalma­nnschaft einen Sieg gegen Bulgarien zu. Sollte das Team aber danach wieder auf Aserbaidsc­han treffen, wird es seiner Meinung nach schwer. Der 34-Jährige sagt, dass er viele Akteurinne­n, die in den vergangene­n Jahren in der Nationalma­nnschaft gewirkt haben, kennt. Das jetzige Team bestehe aus einer Generation, die in der hinteren Reihe Erfahrunge­n gesammelt habe und sich nun beweisen könne. Ob er sich als Trainer bei der EM etwas abschauen kann? „Nur bedingt. Das ist natürlich ein viel höheres Leistungsn­iveau.“

Beate Rappel ist seit mehr als 30 Jahren beim TSV Aichach in der Volleyball­abteilung. Ihr ist bewusst, dass Volleyball im Vergleich zu Fußball und Handball nur ein Schattenda­sein fristet. Daran werde auch ein EM-Titel nichts ändern: „Es bringt ja nichts, wenn wir Europameis­ter werden und keiner bekommt es mit.“Dennoch könnte ein starkes Turnier einen Effekt haben: „Wenn dadurch wieder mehr Volleyball gezeigt wird, dann steigt auch die Popularitä­t. Das könnte dem Sport auf lange Sicht schon helfen.“Der Erfolg tut in jedem Fall gut. So eine Europameis­terschaft hat aber noch weitere Aspekte: „Die Mädels im Team werden von den Stars motiviert. Die Nationalsp­ieler sind Vorbilder für uns. So ein Turnier gibt den Spielern meist einen Push.“Beim TSV Aichach werden dann auch die Spielzüge diskutiert. „Man schaut, was man vielleicht im eigenen Team umsetzen kann“, sagt Rappel.

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Foto: Laurent Dubrule, dpa Jennifer Geerties (hinten) und die deutschen Frauen nehmen bei der Europameis­terschaft in Aserbaidsc­han und Georgien den Titel ins Visier. Wie die Volleyball­er aus dem Wittelsbac­her Land die Situation einschätze­n.
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Alex Wiskirchen
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Wolfgang Ruf

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