Vertreibt der Stadtrat die letzten Kiebitze?
Die geplante Erweiterung des Gewerbegebiets in Derching nimmt eine wichtige Hürde. Die Regierung von Schwaben hält die Konflikte für lösbar. Das Landratsamt bleibt bei seinen Bedenken
Friedberg Die Erweiterung des Derchinger Gewerbegebiets ist nun doch ohne aufwendiges Zielabweichungsverfahren möglich. Dies ist das Ergebnis der Gespräche, die die Friedberger Stadtverwaltung mit der Regierung von Schwaben geführt hat. Dennoch dürfte die Ausweisung neuer Gewerbeflächen kein einfaches Unterfangen werden. Das Landratsamt sowie Naturschützer äußern Bedenken dagegen, weil die elf Hektar große Fläche in den Regionalen Grünzug hineinreicht und weil hier Wiesenbrüter beheimatet sind.
Die Flächen im „Friedberg-Park an der A8“haben sich so gut verkauft, dass der Stadtrat im Juli 2015 eine Änderung des Flächennutzungsplans in die Wege geleitet hat. Die Zusagen der Grundstückseigentümer liegen offenbar vor, Geld ist noch nicht geflossen. Übereinstimmend haben dann aber Landratsamt, Regierung von Schwaben, Regionaler Planungsverband und Stadt Bedenken erhoben (wir berichteten).
Weil der Stadt jedoch die Gewerbeflächen ausgehen, sollten die nötigen rechtlichen Grundlagen geschaffen werden, um von den Vorgaben der Raumordnung – nämlich der Freihaltung des Regionalen Grünzugs – abweichen zu können. Nach näherer Prüfung sieht die Regierung von Schwaben das Zielabweichungsverfahren nicht mehr als nötig an. Es gebe „keine Anhaltspunkte dafür, dass durch das geringfügige Hineinreichen der geplanten gewerblichen Baufläche in den Unschärfebereich des regionalen Grünzugs dessen Funktionen beeinträchtigt werden“, so die Behörde. Die Stadt könne durch geeignete Festsetzungen im Bebauungsplan entsprechende Vorkehrungen treffen. Die Stadt will nun Lösungsvorschläge erarbeiten und die Änderung des Flächennutzungsplans angehen, kündigte Baureferent Carlo Haupt in der letzten Stadtratssitzung an.
Irritiert von dieser Kehrtwende der Regierung zeigte sich Claudia Eser-Schuberth (Grüne). Offenbar könne man die überörtliche Planung einfach in den Müll treten. Andere sähen dies jedoch kritischer, sagte sie mit Blick auf die Haltung des Landratsamtes. Dort glaubt man nach wie vor, dass der Regionalplan dem Vorhaben entgegensteht, und verweist zudem auf Konflikte mit dem Artenschutz: In dem Areal brüte die Restpopulation eines ursprünglich sehr viel größeren Kiebitzbestandes. Ein Ausweichen der Tiere auf andere Standorte scheide wegen der Störungen durch den Flughafen, den ADAC-Übungsplatz oder den Kiesabbau aus, so die Untere Naturschutzbehörde im Landratsamt. „Wenn Sie das beschließen, sind die Kiebitze weg“, schlussfolgert Eser-Schuberth.
Dennoch stimmte eine große Mehrheit des Stadtrats dafür, die Pläne weiterzuverfolgen. Roland Fuchs (SPD) sah dabei durchaus die Gefahr, dass ein Teil des neuen Gewerbegebiets nicht bebaubar sein werde. „Naturschutzfachliche BeAugsburg lange müssen eingehalten werden“, sagte er. Diese Fragen seien im Bebauungsplanverfahren zu klären, meinte Thomas Kleist (CSU), der die Erweiterung des Gebiets grundsätzlich für sinnvoll hält. Johannes Hatzold (Freie Wähler) zeigte sich überzeugt, dass man den Kiebitz umsiedeln könne. Wolfgang Rockelmann (Parteifreie Bürger) räumte ein, dass der Preis für dieses Teilgebiet hoch sei. Andererseits wisse man, dass es Friedberg heute so gut geht, weil man konsequent Gewerbeflächen ausgewiesen hat.
Aus Sicht von Hubert Nießner (ÖDP) ist es dagegen nicht korrekt, wie hier mit dem regionalen Grünzug umgegangen werde. Auch die Derchinger Ortssprecherin Rosemarie Krendlinger (Parteifreie Bürger) sprach sich gegen weitere Flächenversiegelungen und Verkehrsbelastungen für den Stadtteil aus. Man müsse darüber nachdenken, ob dieses Vorhaben überhaupt sinnvoll sei: „Gravierende Gründe sprechen dagegen.“Am Ende sprach sich der Stadtrat gegen fünf Stimmen von Grünen, ÖDP und Parteifreien Bürgern für eine Fortführung des Projekts aus.