Sie brach ihr Studium ab und landete im Bordell
Ein Ex-Soldat soll jungen Frauen die große Liebe vorgespielt und sie ins Milieu gelockt haben. Er lernte sie übers Internet kennen, wo er sich als Muskelprotz präsentierte. Vor Gericht sagt er, er sei eher zufällig ein Zuhälter geworden
Er hat sich Berge von Muskeln antrainiert. Bei Bodybuilding-Meisterschaften belegte er vordere Plätze. Auf Fotos posiert er in achselfreien T-Shirts. Samy B., 23, zeigte gern seinen durchtrainierten Körper. Ein Internetportal für Kraftsportler begleitete ihn vor ein paar Jahren sogar einen Tag lang für eine Video-Reportage. Im Film scherzt und lacht er viel; er gibt sich als Sonnyboy. So ist es ihm wohl auch gelungen, Frauen an sich zu binden – und offensichtlich auch auszunutzen. Die Augsburger Staatsanwaltschaft wirft Samy B. vor, mehreren Frauen die große Liebe vorgespielt, sie zur Prostitution überredet und danach ausgebeutet zu haben.
Samy B. sitzt seit Mittwoch als Angeklagter in einem Saal des Strafjustizzentrums. Er trägt Sträflingskleidung. Nach über einem Jahr hinter Gittern wirkt er noch immer kräftig. Was in der Anklage steht, klingt wie aus einem Lehrbuch für Zuhälter. B. soll jungen Frauen erzählt haben, wie leicht man im Milieu Geld verdienen könne. Er beglich Schulden für sie. Einer Frau soll er eine Tasche voller Geld ge- zeigt haben, um sie zu beeindru- cken. Viele Frauen lernte er im Internet über das soziale Netzwerk Facebook kennen, wo er sich mit Bodybuilding-Fotos präsentierte.
Sieben Frauen haben den Ermittlungen zufolge unter der Aufsicht von Samy B. gearbeitet. Die meisten waren in einer Bordellwohnung in Hochzoll tätig. Von außen wirkt das etwas versteckt am Stadtrand gelegene Gebäude heruntergekommen. Fünf Frauen, deren Namen als Opfer in der Anklage stehen, sollen hier zum ersten Mal in Kontakt mit dem Milieu gekommen sein. Eine 20-jährige Studentin soll sich wegen Samy B. von ihrer Familie abgewandt und ihr Wirtschaftsstudium aufgegeben haben. Eine 24-Jährige ließ sich sogar seinen Namen auf den Körper tätowieren. Sie sagte den Ermittlern, sie habe darunter gelitten, ih- ren Körper an Männer zu verkaufen. Anfangs habe sie nach jedem Freier geweint. Sie habe sich an die Beziehung zum Angeklagten „geklammert“, sagt Staatsanwältin Simone Bader. Nur deshalb habe sie weiter in Bordellen gearbeitet.
Ermittler der Augsburger Kripo waren Samy B. offenbar schon einige Zeit vor seiner Verhaftung im Juni vorigen Jahres auf der Spur. Zumindest wurde sein Telefon überwacht. Ein Informant aus dem Milieu soll der Polizei auch gemeldet haben, als es Ende Mai vorigen Jahres nachts zu einem Streit in dem Hochzoller Bordell gekommen war. Zwei Prostituierte, die dort für Samy B. arbeiteten, sollen aus Eifersucht aneinandergeraten sein. Auch von einer Schusswaffe war in der In- formation die Rede. Ein Sondereinsatzkommando rückte deshalb an. Samy B. wurde kurz nach dem Zwischenfall von Polizisten festgenommen. Er kam dann aber noch mal vorübergehend auf freien Fuß.
Samy B. sagt jetzt im Prozess vor dem Landgericht, er sei selbst in das Milieu nur „reingerutscht“, eher zufällig. Über eine Freundin, mit der er im Jahr 2015 zusammen kam. Die Freundin, 26 Jahre alt, habe in Hamburg schon einmal als Prostituierte gearbeitet und dann als Kellnerin gejobbt. Weil sie mit dem Verdienst aber nicht zufrieden gewesen sei, habe sie ihm nach einiger Zeit ihre frühere Tätigkeit „gebeichtet“und vorgeschlagen, wieder auf den Strich zu gehen. Sie habe gesagt, er könne doch gut auf sie aufpassen, erzählt der Angeklagte. Anfangs sei er nicht glücklich gewesen, dass sich seine Freundin an Männer verkauft. „Doch dann kam das Geld“, erzählt Samy B. Das Geld habe seine negativen Gedanken „weggespült“. Er war damals Zeitsoldat bei der Bundeswehr, mit einem Nettoeinkommen von 1700 Euro.
Er schildert es so, dass mehrere Frauen ihn sogar darum gebeten hätten, ihnen die Arbeit im Milieu zu vermitteln. Bei zwei Frauen räumt er aber ein, dass er deren Naivität und Gefühle ausgenutzt hat, um von ihren Einnahmen zu profitieren. Er gibt auch zu, dass er seine Freundin, durch die er erst ins Rotlichtmilieu gekommen sein will, zwei Mal im Streit geschlagen hat. Die Freundin hatte offenbar eine Art „Aufpasser“-Funktion. Sie soll die anderen Prostituierten überwacht haben. Die Frauen, die für Samy B. arbeiteten, waren im Milieu etwas Besonderes – weil sie aus Deutschland und den Niederlanden stammen. Nach Einschätzung der Kripo arbeiten in der Prostitution sonst fast nur noch Frauen aus dem Ausland, überwiegend aus ärmeren Ländern in Osteuropa.
Die Ermittler gehen davon aus, dass die von B. kontrollierten Frauen über 60 000 Euro verdient haben, davon selbst aber nur 10 bis 20 Prozent bekamen. Samy B. sagt, es sei andersherum gewesen. Ihm sei nur ein kleiner Teil geblieben. Nächste Woche sollen die Frauen als Zeuginnen aussagen. Spätestens Mitte November soll ein Urteil feststehen.