Es kracht gewaltig im Regierungsbündnis
Der Vorstoß der SPD-Fraktion in Sachen Kinderbetreuung kommt beim Koalitionspartner CSU nicht gut an. Oberbürgermeister Kurt Gribl geht in der Stadtratssitzung auf Distanz zu Sozialreferent Stefan Kiefer
Unter den Koalitionspartner im Rathaus gibt es Zoff: Anlass ist die Debatte über die Kinderbetreuung in der Stadt. Irritiert reagiert die Augsburger CSU auf die von der SPD-Fraktion vorgebrachte Kritik. Am Dienstag hatten Sozialbürgermeister Stefan Kiefer, Fraktionsvorsitzende Margarete Heinrich und Stadträtin Anna Rasehorn (alle SPD) ihr Konzept „Care for Kids“vorgestellt. Ihnen gehe es um „gute Kinderbetreuung“. Die Stadt sei dafür nicht gewappnet. Die SPD hatte deshalb ein Maßnahmenpaket geschnürt und Anträge gestellt.
Mit dieser Offensive kritisierte sie erstmals öffentlich ihren Koalitionspartner CSU. Das Echo kam am Mittwoch prompt. In der Sitzung des Stadtrats krachte es in öffentlicher Sitzung gewaltig. Dabei war nicht zu überhören, dass Oberbürgermeister Kurt Gribl (CSU) nicht gut auf Referent Kiefer zu sprechen ist. Es sei die Frage zu stellen, was zu tun ist, „wenn ein Referent meint, in der Stadtregierung passiert zu wenig“. Das Vorgehen der SPD, wie es in der zu verstehen war, sei „nicht förder- lich“, sagte Gribl. Kiefer, der auf der Referentenbank neben Gribl sitzt, reagierte eher moderat. Er versuchte, so der Eindruck, das Thema nicht weiter hochzuspielen. „Es ging darum, darzustellen, wie schwierig die Situation in der Kinderbetreuung ist“, sagte er. Die Nachfrage nach Plätzen sei massiv gestiegen, auch darauf hätten die Fraktionskolleginnen verwiesen. Es sei darum gegangen, die Anträge der SPD-Fraktion vorzustellen. Er habe den Eindruck, dass manche noch erkannt hätten, wie dramatisch die Situation sei. Kiefer betonte auch, dass er „froh um die Task Force“sei, die mit der CSU gebildet wurde. Angestoßen wurde die kurze Aussprache im Stadtrat, die den offenen Konflikt zwischen CSU und SPD dokumentierte, vom früheren Sozialreferenten Max Weinkamm (CSU). Er verstehe wahrlich nicht, warum sich die SPD bei diesem Thema so äußere. Weinkamm sprach von „Falschaussagen“.
In einer Pressemitteilung, die bereits vor der Stadtratssitzung versandt wurde, griff die CSU-Fraktionsspitze den Koalitionspartner SPD ebenfalls massiv an. CSUFraktionschef Bernd Kränzle sagte zum Vorgehen der SPD: „Immerhin die SPD de facto öffentlich harsche Kritik an der Stadtregierung, der sie nicht zuletzt durch den interfraktionellen Vertrag von 2014 selbst angehört. Uns überraschen die Art und Weise, die Plötzlichkeit und die Heftigkeit dieser Attacken.“Für Max Weinkamm sind „die Ausbrüche der SPD völlig unverständlich“. Der ehemalige Sozialreferent sagte, seit 2008 habe man gemeinsam die Kinderbetreuung ausgeweitet, „ohne dass sich eine Seite ‚weggebügelt‘ oder ‚weggewischt‘ zu fühlen glaubte“, wie es SPD-Stadträtin Anna Rasehorn betont hatte.
Dass das Personal in Kitas seit 2008 um mehr als das Doppelte auf 2295 Stellen aufgestockt wurde, hatte Oberbürgermeister Gribl bereits im Juli betont. Damals stellte er die „Task Force Kita“vor, die ab der zweiten Augusthälfte bis Herbst eine Liste mit Standortmöglichkeiten für die Erweiterung von KitaKapazitäten ausarbeiten sollte. Er sei es gewesen, der bereits vor dem SPD-Antrag die Entscheider innerhalb der „Task Force“an einen Tisch gerufen habe. Der Grund: Das von Sozialbürgermeister Kiefer geführte Sozialreferat sei bei der Suche nach einem geeigneten KitaStandort nicht vorangekommen, so die CSU-Fraktion in ihrer Mitteilung. Der OB habe eine Standortsuche veranlasst, da die Ostseite der Schwimmschulstraße vom Sportund Bäderamt abgelehnt wurde. Es könne also auch nicht von einer Blockade-Haltung gesprochen werden, da OB Gribl gemeinsam mit Bildungsreferent Hermann Köhler (CSU) einen Beschluss für ein Grundstück auf der Westseite des Geländes herbeiführt, um einen neuen städtischen Kindergarten bauen zu können.
Die „Task Force Kita“habe ihre Arbeit konsequent verfolgt und Standorte in einer Liste zusammengetragen. „Die Dinge liegen schon auf dem Tisch. Das Papier ist so gut wie fertig“, sagte Oberbürgermeister Gribl gegenüber unserer Zeitung. Er verwies darauf, dass der Sozialreferent selbst nicht dafür gesorgt habe, dass für den Kita-Ausbau im städtischen Haushalt zur Verfügung stehende Gelder von Freien Trägern abgerufen wurden. „Rund fünf Millionen Euro müssen deshalb in das kommende Hausäußert haltsjahr übertragen werden“, sagte Gribl. Seine Devise laute deshalb: „Weniger jammern, mehr machen“. Dass sich die CSU aber trotz allem nicht von der SPD provozieren lassen wolle, stellte CSU-Stadtrat Leo Dietz klar: „Schon gar nicht, wenn die SPD Opposition aus der Regierung heraus zu machen versucht“.
Dietz kritisierte die von der SPD bemühte Statistik. Sie hatte vorgerechnet, dass Augsburg in den kommenden drei Jahren einen Bedarf von 16 000 Kinderbetreuungsplätzen haben werde und kam auf eine rechnerische Lücke von 3100 Plätzen, da 12 900 Plätze vorhanden sind. Der steigende Bedarf liegt an der ebenfalls steigenden Geburtenrate. So würden Frauen in Augsburg im Schnitt 1,44 Kinder zur Welt bringen und nicht mehr 1,25 Kinder, wie noch vor einigen Jahren.
Es entspreche aber nicht der Lebenswirklichkeit, sagte Dietz, dass nun jede Frau 1,44 Betreuungsplätze bräuchte. Viele Mütter würden ihren Nachwuchs selber betreuen und ihren Partner oder die Großeltern einbinden, wodurch der Bedarf geringer sei. Die CSU-Fraktion erwartet von der SPD, dass Anliegen in interner Runde vorgebracht werden, wenn es Probleme gibt.
An welchen Punkten der Konflikt festzumachen ist