Hoppeln als Hochleistungssport?
Der schwedische Trend um Kaninhop hat inzwischen die Region erreicht. Petra Hübner hat es ausprobiert und eine Leidenschaft darin gefunden. Doch gibt es auch negative Stimmen
Friedberg Bugs Bunny nimmt Anlauf – nicht aber die Hürde. Der stattliche Rammler verweigert das Hindernis. Da hat wohl der Vorführeffekt zugeschlagen, vermutet Petra Hübner. Aber auch die zweite Schikane will nicht so recht klappen: Der Kleinschecke bleibt stehen, schnuppert am Boden und putzt sich die knuffige Schnauze. „Gestern hat es doch so gut funktioniert“, bekräftigt die Kaninchentrainerin. Sie lacht herzhaft, streichelt Bugs Bunny über beide Langohren und positioniert ihn zurück an den Startpunkt. Petra Hübner ist auf dem Sprung. Buchstäblich. Mit ihren Kaninchen praktiziert sie das sogenannte Kaninhop. Ähnlich dem Springreiten passieren hier Mensch und Tier einen Hindernisparcours – nur ohne Pferd und ohne Sattel. Das erfordert regelmäßiges Training, weiß die Tierfreundin aus Hochzoll. Mindestens einmal die Woche übt die 52-Jährige etwa eineinhalb Stunden lang mit ihren Miniartisten. Die Jahreszeit spielt dabei keine Rolle. „Nur regnen sollte es nicht“, sagt Hübner. Ein Faible für Tiere habe sie schon als Kind gehabt. „Und wenn es nur ein Hamster war“, betont die gebürtige Oberfränkin. Eine Zeit lang engagierte sich die gesamte Familie für den Kleintierzuchtverein Friedberg, wo sie ihre Liebe zu den Karnickeln auszuleben versuchte. Zwar sind Petra und Eberhard Hübner dort nicht mehr Mitglied, doch möchten sie die Nähe zu Friedberg nutzen, um Ka- auch im Wittelsbacher Land bekannt zu machen. Mittlerweile beherbergen sie mehr als 15 Langohren, darunter nicht nur Rasseexemplare. „Manchmal nehmen wir Tiere auf, die ansonsten im Kochtopf landen würden, weil sie zur Zucht nicht taugen oder eingeschläfert werden sollen“, erzählt die Augsburgerin. Gestrandete „Häschen“finden im Garten der Familie Unterschlupf. „Bei uns bekommen sie ihr Gnadenbrot.“
Auf Kaninhop stieß Petra Hübner schon vor einiger Zeit. Die Initialzündung legte ihre damalige Riesenhäsin Hannibal. So manchen Zaun konnte das Tier mit Leichtigkeit überwinden, erinnert sie sich schmunzelnd. Die 52-Jährige war beeindruckt von der Sprungkraft Hannibals. „Ich habe mich mit dem Thema näher auseinandergesetzt, mich eingelesen und Kontakte geknüpft“, erklärt sie weiter. Schließlich begann sie mit dem Training dreier Kaninchen. „Im Moment schaffen sie eine Höhe von 35 Zentimetern, in der Turnierregelung ist das die mittelschwere Klasse“, sagt Hübner stolz. Sie gibt sich weiter zuversichtlich: „In einem Vierteljahr sind sie bereit für einen Wettbewerb.“
Konzentration herrscht indes auf der Veranda des Reihenhauses. Die hat ihren Karnickeln drei Hindernisse aufgestellt. Sie bilden den Springparcours. Nachdem sich Bugs Bunny nicht sonderlich begeistert zeigt, darf er zurück in den Stall. „Die Mädels lenken ihn wohl ab“, mutmaßt Hübner mit einem Augenzwinkern. Die Tierkennerin verweist auf den Geruch der Häsinnen, der vom Boden heraufzusteigen und dem Rammler den Kopf zu vernebeln droht. An den Start geht nun Archimedes. Die Häsin hoppelt auf die Schikane zu, macht einen großen Satz – und reißt die oberste Stange mit sich. „Ach“, pustet Hübner. Vielleicht beim nächsten Mal.
Kaninhop scheint neu, doch reichen seine Ursprünge gut 35 Jahre zurück. Entwickelt wurde es von schwedischen Kaninchenzüchtern. Inzwischen ist der Trend auch nach Deutschland übergeschwappt. Es werden sogar Meisterschaften auf internationaler Ebene ausgetragen. Wettkämpfe folgen stets klaren Regeln. So hat etwa der Zentralverninhop band Deutscher Rasse-Kaninchenzüchter festgelegt, dass Tiere mindestens fünf Monate alt sein müssen, um teilnehmen zu dürfen. Zudem sollte sich das Kaninchen „durch die Bahn und über die Hindernisse aus eigenem und freiem Willen bewegen.“Ruckartiges Ziehen oder Heben des Tiers an der Leine sind streng verboten – ebenso das Verwenden der Leine als Peitsche. Der Einklang mit ihren Kaninchen ist Petra Hübner besonders wichtig. Die vierfache Mutter achtet auf die Tagesform ihrer „Häschen“, gibt ihnen immer wieder kleine Streicheleinheiten und arbeitet auf Basis eines Belohnungssystems. Das bedeutet: Wenn Archimedes die Hürde genommen hat, gibt es zur Motivation ein Leckerli. „Sie bekommen Kräuter wie Pfefferminze oder Petersilie aus dem Garten. Das lieben sie“, sagt Hübner über ihre Tiere. Häsin Archimedes scheint es definitiv zu schmecken. Zibbe Wilma ist das dritte Kaninchen im Bunde. Hübner legt ihr das Geschirr an, krault ihr das Fell. Die Schwarzgrannin ist „der Champion“der Familie, wie Sohn Isaak formuliert. Ein Beweis muss nicht auf sich warten lassen: Kaum den Parcours betreten, scheint Wilma nicht mehr aufhören zu wollen. Sie überhoppst sämtliche HinTrainerin dernisse, macht eine Kehrtwende, räumt das Feld von hinten auf.
Zwar erfreut sich Kaninhop immer größerer Beliebtheit, doch ruft die ungewöhnliche
Sportart auch Tierschützer auf den
Plan. Der Verein Kaninchenschutz und der Deutsche Tierschutzbund haben sich beispielsweise gegen den Trend ausgesprochen. Sicherlich sei es möglich, Kaninchen an Geschirr und Leine zu gewöhnen, heißt es in einem Statement, „aber eine Wettkampfatmosphäre stellt einen zu großen Stressfaktor dar, als dass es dafür eine Rechtfertigung geben könnte.“Petra Hübner hält diese Vorwürfe für unbegründet. Ihr gehe es ohnehin nicht um Hochstleistungssport. In ihren Augen unterstützt Kaninhop vielmehr das Wesen der Langohren. „Man beschäftigt sich mit dem Tier, fördert seine natürlichen Abläufe.“Und mehr noch: „Viele halten das Kaninchen für ein langweiliges Tier, das nur im Käfig sitzt.“Der Trend aus Schweden beweise nun das Gegenteil.
„Im Moment schaffen sie eine Höhe von 35 Zentimetern, in der Turnierregelung ist das die mittelschwere Klasse.“Petra Hübner