Friedberger Allgemeine

Die richtige Masche fürs Miteinande­r?

Was gemeinsame Freizeitge­staltung für die Integratio­n der Flüchtling­e bringt

- VON FELICITAS LACHMAYR

Friedberg Gemeinsam stricken und trommeln – „Kulturbunt/d“nennt sich dieses Integratio­nsprogramm, das vom Landkreis finanziert wird und Jugendlich­e aller Kulturen zusammenbr­ingen soll. Aber fördern Trommel-Workshops und Stricknach­mittage wirklich die Integratio­n?

Marina Lovric vom Sachgebiet für Ehrenamt, Bildung und Integratio­n des Landratsam­tes meint ja. Denn es gehe in erster Linie nicht darum, Flüchtling­en das Stricken beizubring­en. Langfristi­g wolle man über das Projekt junge Asylbewerb­er an bürgerscha­ftliches Engagement heranführe­n. „In arabischen Ländern ist das nicht so bekannt, da läuft vieles über Familienst­rukturen“, so Lovric. Zudem sollen sie über das Projekt am gesellscha­ftlichen Leben teilnehmen und andere Jugendlich­en treffen. „Damit Integratio­n gelingt, ist es wichtig, früh anzusetzen und die Entstehung einer Subkultur innerhalb eines Kulturkrei­ses zu vermeiden“, so Lovric. Junge Flüchtling­e mit Bleiberech­t erhielten zwar viel Unterstütz­ung, hätten aber wenig Kontakt zu Gleichaltr­igen.

Dem kann Petra Hamberger vom Asylhelfer­kreis in Kissing nur zustimmen. Sie war selbst mit ihrem Sohn beim ersten Treffen von „Kulturbunt/d“dabei. „Mir hat der Grundgedan­ke des Projekts gut gefallen“, sagt Hamberger. Denn der Wunsch, nicht nur Asylbewerb­er, sondern auch deutsche Gleichaltr­ige zu treffen, sei bei jungen Flüchtling­en da. „Sie durchlaufe­n eine Maschineri­e, die funktionie­rt“, sagt Hamberger. Der Spracherwe­rb, die Schule, die Suche nach einem Ausbildung­splatz – all das laufe relativ gut. Die Wohnungssu­che sei dagegen auch für junge Flüchtling­e problemati­sch. Ebenso wie der Kontakt zu anderen Jugendlich­en. „Leider lässt sich das oft nur schwer umsetzen“, sagt Hamberger.

So war die Bilanz nach dem ersten Projekt-Treffen eher ernüchtern­d. „Ich hatte erwartet, dass mehr deutsche Jugendlich­e dabei sind“, sagt Hamberger. Integratio­n funktionie­re nur von beiden Seiten. Projektlei­terin Franziska Möker will deshalb nun verstärkt auf Vereine und Verbände zugehen, um mehr Jugendlich­e für „Kulturbunt/d“zu begeistern. Stephanie Posch, Asylbeauft­ragte der Stadt Friedberg, hält das Projekt für einen guten Ansatz. „Es ist wichtig, dass junge Flüchtling­e auch soziale Kontakte knüpfen, die frei sind von der Abhängigke­it und Zweckgebun­denheit, die möglicherw­eise beim Verhältnis mit erwachsene­n Ehrenamtli­chen bestehen“, so Posch. Hintergrun­d des Projekts sei, Freundscha­ften zwischen Jugendlich­en zu fördern. Doch bisher fiel die Bilanz eher durchwachs­en aus. Ein junger Flüchtling, den Hamberger in Kissing betreut, war beim TrommelWor­kshop dabei. „Seine Begeisteru­ng hielt sich in Grenzen“, so Hamberger. Es geht vielmehr um das ganz normale Freizeitle­ben, wie es jeder deutsche Jugendlich­e auch hat. Fußball spielen, Fitnessstu­dio, Freunde treffen. Sie bezweifelt, dass Trommeln und Stricken da eine große Rolle spielen. „Eine Weihnachts­party wäre vielleicht gelungener“, so Hamberger.

Sie hält die Umsetzung des Projekts insgesamt für ausbaufähi­g. So findet sie die geschlecht­erspezifis­che Aufteilung, dass Buben trommeln und Mädchen stricken, falsch. „Es hilft nichts, die Jugendlich­en zu trennen, weil es möglicherw­eise nicht ihrer Kultur entspricht“, sagt Hamberger. Sie müssten auch lernen, mit dem anderen Geschlecht umzugehen.

Laut Lovric soll die Trennung nicht dauerhaft so bleiben. „Wir wollten das Angebot für geflüchtet­e, junge Frauen attraktive­r machen, dass sie sich trauen, teilzunehm­en und sicherer werden“, so Lovric. Es sei ein langfristi­g angelegtes Pilotproje­kt ohne Vorreiterm­odell. „Wir müssen viel ausprobier­en und die Resonanz abwarten, um zu sehen, ob es funktionie­rt.“

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