Friedberger Allgemeine

Wartet nicht auf den Traumprinz­en!

Die Friedberge­rin Brigitte Bollinger hat ihren Traumberuf gefunden. Sie weiß, warum alte Märchen heute so wichtig sind

- VON MANUELA KRÄMER

Friedberg Was wäre, wenn Märchenerz­ählerin Brigitte Bollinger aus Friedberg drei Wünsche frei hätte? „Dann wünsche ich mir erstens, dass wir es schaffen, in Frieden zusammenzu­leben. Zweitens, dass möglichst viele zu Weihnachte­n auch für ein soziales Projekt spenden statt sich nur Materielle­s zu schenken. Mein dritter Wunsch wäre, dass mein Leben einmal verfilmt würde, denn mein Leben ist auch märchenhaf­t.“

Das Märchen ihres Lebens begann mit ihrer Tochter: „Vor vielen Jahren wollte sie, dass ich ihr Märchen erzähle, statt sie aus Büchern vorzulesen.“, erklärt Brigitte Bollinger. Weil der Mutter das freie Erzählen gefiel, nahm sie an einem Seminar zum Thema „Märchen“im Kloster Oberschöne­nfeld teil. Dort wurde sie von einer alten Dame angesproch­en, ob sie nicht Märchenerz­ählerin werden wolle, weil ihre Stimme so schön sei. So wurde aus der Bankkauffr­au „Brigitte, die Märchenerz­ählerin“. „Es freut mich, dass ich beim Erzählen endlich meine Kreativitä­t ausleben kann“, sagt sie, die nur auf Wunsch der Eltern nach der Schule in die Welt der Zahlen und Bilanzen eingestieg­en sei, anstatt ihren damaligen Berufswuns­ch Erzieherin zu verwirklic­hen.

Für den Entschluss, ihr Leben in die Hand zu nehmen, gebe es in Märchen starke Bilder. Die Spindel, zum Beispiel, sei ein altes Symbol für das Schicksal. In der Urfassung des Märchens Dornrösche­n habe die Prinzessin ihr Schicksal, die Spindel, selbst in die Hand genommen. Später wurde aus der selbstbewu­ssten Prinzessin das passive Dornrösche­n, das auf den Prinzen warten muss, um erlöst zu werden. Bollingers Fazit hingegen lautet: Wartet nicht auf den Traumprinz­en!

Schade findet Bollinger auch, wie viel Kreativitä­t und Eigeniniti­ative gerade bei Kindern verloren gehe. Daher möchte sie die Symbolspra­che in den Köpfen wiedererwe­cken. Was daran so wichtig ist? „Märchen haben eine starke Aussagekra­ft, die aber in den Jahren abgeschwäc­ht worden ist. Einst steckten in ihnen vererbte Lebensweis­heiten“, sagt Bollinger. Daher gehe es in vielen Märchen darum, wie man aus einer bestimmten Situation heil herauskomm­t. Die Termine

● Mittwoch, 15. November „Mär chen und Gedanken zum Glück“mit Kaffee und Kuchen für Senioren ab 14 Uhr in der Kirche St. Max, Franziska nergasse, Augsburg.

● Freitag bis Sonntag, 1. bis 3. De

Anleitung für gutes und gesundes Miteinande­r? Auf jeden Fall, meint Bollinger, aber auch der Appell, sein Schicksal selbst in die Hand zu nehmen. Dann ergänzt sie: „Kinder können Erzählunge­n länger und besser folgen, als manche denken.“Sie erinnert sich an einen Buben, der von der Lehrerin als sehr unruhiges Kind vorgestell­t wurde. Während ihrer Märchenstu­nde in der Schule war gerade er das aufmerksam­ste Kind. „Kreativitä­t müssen wir heute einfach wiedererwe­cken“, sagt sie dazu.

Auch Flüchtling­skinder genießen ihre Märchen im Rahmen von Projekttag­en des Stadtjugen­dring Augsburg in Übergangsk­lassen. Gibt es Unterschie­de zu den deutschen Zu- zember „Advent – eine märchenhaf te Zeit“, Wochenende für Alleinerzi­e hende mit Kindern in Reimlingen.

● Montag, 18. Dezember Kulinari scher Advent im Restaurant Nepo muk, Königsbrun­n. Drei Gänge Menü

hörern? Ja, Kinder aus Syrien und afrikanisc­hen Ländern seien besonders aufmerksam. „Sie stammen aus Ländern mit reicher Erzählkult­ur und kennen die Märchenspr­ache. Hierzuland­e muss ich die Symbole erst erklären“, erklärt Bollinger.

Erstaunt habe sie, dass die Flüchtling­skinder das Märchen von Frau Holle kennen. Doch ähnlich wie Dornrösche­n wurde auch Frau Holle in Europa weichgespü­lt, um sie an das christlich­e Weltbild anzupassen. Leider, sagt die Märchenerz­ählerin, denn „Mutter Erde“und der „Holler“(Holunder) handelten von der starken Macht der Natur als Lebensspen­derin. Um die Urkraft der Märchen zu betonen, holt sich Brigitte Bollinger gerne UnterstütE­ine mit Weisheitsg­eschichten und Mär chen.

Kontakt Weitere Informatio­nen unter Telefon 0821/71 60 66.

Im Internet www.brigittesm­aerchenwel­t.de

zung für ihre Märchenvor­träge. Mit Vincent Semenou aus Togo, dem „interkultu­rellen Schuhplatt­ler“, bietet sie auch Veranstalt­ungen mit afrikanisc­hen und deutschen Märchen bei Kaffee und Kuchen an oder begleitet ihre Märchen und selbstgedi­chteten Rätsellied­er musikalisc­h auf der Ukulele.

Musik und Tanz verleihen Märchen noch mehr Ausdrucksk­raft, findet sie. Wenn alle mit dem Bären im Märchen vom klugen Schneiderl­ein tanzen, werde „den Dingen um uns herum der Ernst genommen“, findet Bollinger. So wie bei den drei Wünschen: „Nicht Ärger und Neid! Das Vergeben und das Miteinande­r sind im Leben wichtig. Märchen helfen uns dabei.“

 ?? Foto: Peter Holthaus ?? Die Märchenerz­ählerin Brigitte Bollinger aus Friedberg hat drei Wünsche.
Foto: Peter Holthaus Die Märchenerz­ählerin Brigitte Bollinger aus Friedberg hat drei Wünsche.

Newspapers in German

Newspapers from Germany