Wartet nicht auf den Traumprinzen!
Die Friedbergerin Brigitte Bollinger hat ihren Traumberuf gefunden. Sie weiß, warum alte Märchen heute so wichtig sind
Friedberg Was wäre, wenn Märchenerzählerin Brigitte Bollinger aus Friedberg drei Wünsche frei hätte? „Dann wünsche ich mir erstens, dass wir es schaffen, in Frieden zusammenzuleben. Zweitens, dass möglichst viele zu Weihnachten auch für ein soziales Projekt spenden statt sich nur Materielles zu schenken. Mein dritter Wunsch wäre, dass mein Leben einmal verfilmt würde, denn mein Leben ist auch märchenhaft.“
Das Märchen ihres Lebens begann mit ihrer Tochter: „Vor vielen Jahren wollte sie, dass ich ihr Märchen erzähle, statt sie aus Büchern vorzulesen.“, erklärt Brigitte Bollinger. Weil der Mutter das freie Erzählen gefiel, nahm sie an einem Seminar zum Thema „Märchen“im Kloster Oberschönenfeld teil. Dort wurde sie von einer alten Dame angesprochen, ob sie nicht Märchenerzählerin werden wolle, weil ihre Stimme so schön sei. So wurde aus der Bankkauffrau „Brigitte, die Märchenerzählerin“. „Es freut mich, dass ich beim Erzählen endlich meine Kreativität ausleben kann“, sagt sie, die nur auf Wunsch der Eltern nach der Schule in die Welt der Zahlen und Bilanzen eingestiegen sei, anstatt ihren damaligen Berufswunsch Erzieherin zu verwirklichen.
Für den Entschluss, ihr Leben in die Hand zu nehmen, gebe es in Märchen starke Bilder. Die Spindel, zum Beispiel, sei ein altes Symbol für das Schicksal. In der Urfassung des Märchens Dornröschen habe die Prinzessin ihr Schicksal, die Spindel, selbst in die Hand genommen. Später wurde aus der selbstbewussten Prinzessin das passive Dornröschen, das auf den Prinzen warten muss, um erlöst zu werden. Bollingers Fazit hingegen lautet: Wartet nicht auf den Traumprinzen!
Schade findet Bollinger auch, wie viel Kreativität und Eigeninitiative gerade bei Kindern verloren gehe. Daher möchte sie die Symbolsprache in den Köpfen wiedererwecken. Was daran so wichtig ist? „Märchen haben eine starke Aussagekraft, die aber in den Jahren abgeschwächt worden ist. Einst steckten in ihnen vererbte Lebensweisheiten“, sagt Bollinger. Daher gehe es in vielen Märchen darum, wie man aus einer bestimmten Situation heil herauskommt. Die Termine
● Mittwoch, 15. November „Mär chen und Gedanken zum Glück“mit Kaffee und Kuchen für Senioren ab 14 Uhr in der Kirche St. Max, Franziska nergasse, Augsburg.
● Freitag bis Sonntag, 1. bis 3. De
Anleitung für gutes und gesundes Miteinander? Auf jeden Fall, meint Bollinger, aber auch der Appell, sein Schicksal selbst in die Hand zu nehmen. Dann ergänzt sie: „Kinder können Erzählungen länger und besser folgen, als manche denken.“Sie erinnert sich an einen Buben, der von der Lehrerin als sehr unruhiges Kind vorgestellt wurde. Während ihrer Märchenstunde in der Schule war gerade er das aufmerksamste Kind. „Kreativität müssen wir heute einfach wiedererwecken“, sagt sie dazu.
Auch Flüchtlingskinder genießen ihre Märchen im Rahmen von Projekttagen des Stadtjugendring Augsburg in Übergangsklassen. Gibt es Unterschiede zu den deutschen Zu- zember „Advent – eine märchenhaf te Zeit“, Wochenende für Alleinerzie hende mit Kindern in Reimlingen.
● Montag, 18. Dezember Kulinari scher Advent im Restaurant Nepo muk, Königsbrunn. Drei Gänge Menü
hörern? Ja, Kinder aus Syrien und afrikanischen Ländern seien besonders aufmerksam. „Sie stammen aus Ländern mit reicher Erzählkultur und kennen die Märchensprache. Hierzulande muss ich die Symbole erst erklären“, erklärt Bollinger.
Erstaunt habe sie, dass die Flüchtlingskinder das Märchen von Frau Holle kennen. Doch ähnlich wie Dornröschen wurde auch Frau Holle in Europa weichgespült, um sie an das christliche Weltbild anzupassen. Leider, sagt die Märchenerzählerin, denn „Mutter Erde“und der „Holler“(Holunder) handelten von der starken Macht der Natur als Lebensspenderin. Um die Urkraft der Märchen zu betonen, holt sich Brigitte Bollinger gerne UnterstütEine mit Weisheitsgeschichten und Mär chen.
Kontakt Weitere Informationen unter Telefon 0821/71 60 66.
Im Internet www.brigittesmaerchenwelt.de
zung für ihre Märchenvorträge. Mit Vincent Semenou aus Togo, dem „interkulturellen Schuhplattler“, bietet sie auch Veranstaltungen mit afrikanischen und deutschen Märchen bei Kaffee und Kuchen an oder begleitet ihre Märchen und selbstgedichteten Rätsellieder musikalisch auf der Ukulele.
Musik und Tanz verleihen Märchen noch mehr Ausdruckskraft, findet sie. Wenn alle mit dem Bären im Märchen vom klugen Schneiderlein tanzen, werde „den Dingen um uns herum der Ernst genommen“, findet Bollinger. So wie bei den drei Wünschen: „Nicht Ärger und Neid! Das Vergeben und das Miteinander sind im Leben wichtig. Märchen helfen uns dabei.“