Obdachlosigkeit nimmt zu
Sozialwohnraum ist knapp, die Belegung von Notunterkünften hoch: Auch im Wittelsbacher Land gibt es immer mehr Menschen ohne Dach über dem Kopf
Nicht nur in Friedberg sind alle Obdachlosenunterkünfte belegt. Auch in Mering nimmt Obdachlosigkeit zu. Immer mehr Familien sind betroffen.
Aichach Friedberg 1,2 Millionen Menschen ohne Wohnung – so lautet die Prognose der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe für das kommende Jahr. Im Vergleich zu 2016 bedeutet das einen Anstieg um 40 Prozent. Auch im Wittelsbacher Land gewinnt das Thema an Brisanz, zumal die kalte Jahreszeit bevorsteht. Thomas Gunzl ist Vizechef des städtischen Finanzreferats und zuständig für die Obdachlosenunterkünfte der Stadt. Seiner Einschätzung zufolge lässt sich auch in Friedberg eine Zunahme Wohnungsloser beobachten. „Im Moment verharren wir aber relativ konstant bei acht bis zehn Personen in der Unterkunft Birkenau.“
In Fällen von Obdachlosigkeit ist die Stadt zur Hilfe verpflichtet. Neben der Unterkunft Birkenau in Friedberg-West bieten ein Gebäude in Ottmaring und eines in Friedberg-Süd mehreren Personen Unterschlupf. „Weder bisher noch mo- mentan handelt es sich bei diesen Personen um Flüchtlinge“, stellt Gunzl klar. Dazu kommt eine Einrichtung im Bauhof, in der Durchreisende wenige Tage verbringen können. Diese Unterkunft wird durch den Landkreis finanziert.
In Mering reichen die drei Wohncontainer in der Kissinger Straße für die von Obdachlosigkeit bedrohten Menschen bei Weitem nicht aus, bestätigt Bürgermeister Hans-Dieter Kandler. Derzeit haben dort acht Menschen ein Dach über dem Kopf. Zudem hat die Gemeinde einer Familie eine Wohnung zur Verfügung gestellt. „Bei einer anderen Familie ist ein Vater mit vier Kindern in einer Wohnung untergebracht, hat aber mittlerweile wieder alles so im Griff, dass er nun Miete zahlen kann“, erklärt Kandler.
In Mering, wo die Kaltmieten zwischen fünf und bei Neubauten schon über zehn Euro liegen, sei der Wohnungsdruck besonders hoch. „Es trifft hier nicht mehr nur Problemfälle, sondern ganz normale Familien, die durch Arbeitslosigkeit, Erkrankung oder Scheidung in Not geraten und die hohen Mietkosten nicht mehr stemmen können“, schildert Kandler. Deshalb habe er sich so für die Bauvorhaben der Kreiswohnbaugesellschaft eingesetzt, die derzeit an der Schwägerlstraße und der Kissinger Straße entstehen.
Weniger prekär stellt sich die Situation in Kissing dar. „Es ist überschaubar“, sagt Bürgermeister Manfred Wolf. In den vergangenen Jahren habe sich keine steigende Tendenz abgezeichnet. Doch gibt es auch hier immer wieder einzelne Personen, die in die Obdachlosigkeit geraten. Das Problem sei, sagt Wolf, dass diese Menschen kurzfristig untergebracht werden müssen. „Manchen droht eine Zwangsräumung, weil sie mit der Miete im Verzug sind.“Einen Platz vorzuhalten, sei schwierig. In der Gemeinde stehen zwei Wohnungen bereit, die momentan voll sind.
Verschuldung, Arbeitslosigkeit, Sucht: Die Gründe für Obdachlosigkeit sind vielschichtig und greifen meist ineinander. Auch können hohe Mietpreise zu Wohnungsverlusten führen. Edgar Nahler, Sachgebietsleiter für soziale Leistungen am Landratsamt, betont: „Kostengünstiger Wohnraum ist rar.“Ausgenommen von Friedberg gebe es im Landkreis 350 Sozialwohnungen – für weitaus mehr Interessenten. „Wir haben eine Warteliste“, bekräftigt der Experte. Es gebe allerdings auch positive Entwicklungen. So würden zum Jahreswechsel mehrere Sozialwohnungseinheiten in Mering bezugsfertig, erklärt Nahler. Auch andere Gemeinden versuchen ihm zufolge, geförderten Wohnraum zu schaffen. Der Haken: „Von der Planung bis zur Bezugsfertigkeit vergehen Jahre, keine Wochen.“
Seit Anfang des Jahres wird die Stadt Friedberg vom Sozialdienst katholischer Männer (SKM) unterstützt, der sich den Menschen in der Unterkunft Birkenau widmet. „Ein Sozialarbeiter ist vor Ort, nimmt die Betroffenen an die Hand, hilft ihnen bei der Wohnungssuche und begleitet sie auf Termine“, erläutert Thomas Gunzl. Bisher sei die Zusammenarbeit mit dem SKM sehr erfolgreich, lobt Gunzl. Ein Problem bleibe die Suche nach Mietwohnungen. Der Grund liegt nahe: „Betroffene haben ihre Situation häufig selbst verschuldet und bringen Eintragungen im Schufa-Register mit.“In diesem Zusammenhang hätten sich sogenannte Wohnpatenschaften bewährt. Wie Gunzl berichtet, stellten Ehrenamtliche dem Vermieter ihren guten Namen zur Verfügung. Denn eines sollte klar sein: „Obdachlosigkeit darf kein Dauerzustand sein“, so Gunzl mit Nachdruck. O Termin Am Dienstag, 19. Dezember, treffen sich die Zuständigen der Stadt verwaltung im Rathaus, um die Einbin dung von Ehrenamtlichen zu diskutie ren. Interessierte sind eingeladen. Beginn ist um 18 Uhr.