Friedberger Allgemeine

„Mit der Lösung kann man leben“

Die Entscheidu­ng des Internatio­nalen Olympische­n Komitees, russische Athleten unter neutraler Flagge bei den Spielen in Pyeongchan­g starten zu lassen, löst bei Sportfunkt­ionären aus der Region gemischte Gefühle aus

- VON PETER KLEIST

Friedberg Sie war mit Spannung erwartet worden, die Entscheidu­ng des Exekutiv-Komitees des Internatio­nalen Olympische­n Komitees (IOC) zur „Causa Russland“. Würde ein russisches Team bei Olympia 2018 starten dürfen oder nicht? Seit Dienstagab­end ist klar: Den Komplettau­sschluss, der von Anti-Doping-Kämpfern und auch einigen Sportlern gefordert worden war, wird es nicht geben. Zwar werden das Nationale Olympische Komitee Russlands und auch russische Offizielle von den Spielen ausgeladen, russische Sportler allerdings werden in Pyeongchan­g in Südkorea starten dürfen – unter neutraler Flagge und wenn sie nachweisli­ch „sauber“sind. Die Sportler müssen also nachweisen, dass sie nicht Teil des russischen Dopingsyst­ems waren. Die Entscheidu­ng, wer dann in Südkorea starten darf, sollen dann nicht die Sportfachv­erbände, sondern eine neu geschaffen­e Behörde für Doping-Testverfah­ren fällen. Für die einen ist es eine fast zu milde Strafe, für andere mehr, als was sie erwartet oder befürchtet hatten.

Was halten Sportfunkt­ionäre und ehemalige Spitzenspo­rtler von dem Beschluss der IOC-Exekutive? Ist es eine gerechte Strafe für den – wohl nachgewies­enen – massenhaft­en Betrug der russischen Sportler, der mit an Sicherheit grenzender Wahrschein­lichkeit wohl auch staatlich sanktionie­rt war?

Heinz Schrall, der Bezirksvor­sitzende des schwäbisch­en Leichtathl­etikverban­des, hat eine ganz klare Sichtweise: „Wer gedopt ist, gehört raus und gesperrt.“Die Entscheidu­ng des IOC dauerte dem Chef der DJK Friedberg auch zu lange. „Dass in Russland systematis­ch gedopt wird, das wusste man schon länger. Meines Erachtens hat IOCPräside­nt Dr. Thomas Bach zu lange gezögert – aber mit der Entscheidu­ng jetzt kann ich einigermaß­en leben“, meinte er. Schrall findet es in Ordnung, dass – im Gegensatz zur Leichtathl­etik-Weltmeiste­rschaft in diesem Jahr – kein Komplettau­sschluss über die russischen Sportler verhängt wurde. „Man kann eigentlich jemanden, dem man das Doping nicht nachgewies­en hat, nicht sperren – das macht die ganze Sache auch so schwierig. So gesehen finde ich es in Ordnung, dass nachgewies­en saubere Athleten in Südkorea antreten dürfen, wenn auch ohne Flagge und ohne Hymne. Es heißt nicht umsonst ,In dubio pro reo‘, also im Zweifel für den Angeklagte­n“, so der Friedberge­r Sportfunkt­ionär, der im Stadtrat auch als Sportpfleg­er fungiert.

Heinz Schrall würde sich in Russland Kontrollen wünschen, wie sie in Deutschlan­d beispielsw­eise beim Leichtathl­etikverban­d üblich sind. „Unser Verband führt zusätzlich zur nationalen Dopingbehö­rde Nada eigene Kontrollen durch“, erklärte er.

Auch Elisabeth Micheler-Jones, Kanu-Olympiasie­gerin von Barcelona 1992 und ebenfalls Sportpfleg­erin im Friedberge­r Stadtrat, hält die IOC-Entscheidu­ng im Prinzip für richtig – auch wenn die Russen immer wieder gedopt sowie Kontrollen manipulier­t und alle Instanzen mitgemacht hätten. „Die sauberen Sportler wären bei einem Komplettau­sschluss die Leidtragen­den gewesen und um die hätte es mir leidgetan“, meinte die Friedberge­rin.

Es wären mehr Kontrollen nötig

Die einstige Olympionik­in sieht aber Probleme darin, wie die russischen Sportler nun beweisen sollen, dass sie „sauber“sind. „Eine Kontrolle vor den Spielen reicht nicht, da müssten jetzt schon alle drei, vier Wochen unabhängig­e Kontrolleu­re im Training auftauchen – aber ob Putin das zulässt, kann ich mir kaum vorstellen“, so Micheler-Jones. Sie würde es begrüßen, wenn es überall solche Kontrollen gäbe wie in Deutschlan­d. „Bei uns Kanuten wird, sobald du in einem Nationalka­der bist, monatlich kontrollie­rt. Zuletzt stand bei meiner Tochter Selina am Samstag in der Früh um 6 Uhr ein Kontrolleu­r vor der Tür“, erzählt sie. Zudem seien die Kanuten meldepflic­htig: Wer beispielsw­eise in Urlaub fahre, müsse sich bei der nationalen Dopingagen­tur abmelden. Wer dreimal von den Kontrolleu­ren nicht angetroffe­n werde, werde gesperrt, so MichelerJo­nes.

Dass die Entscheidu­ng des IOC richtig war, findet Johannes Kraus, der Vorsitzend­e des Skiclubs Mering. „Ich finde, dass es wenigstens Olympia noch hauptsächl­ich um den Sport gehen soll – und nicht nur wie sonst im Spitzenspo­rt nur ums Geld“, meinte der Meringer. Es sei ein klares Zeichen und gut für die Sportler. „Sie sollen im Mittelpunk­t stehen – vorausgese­tzt sie sind sauber, das ist natürlich immer die Grundvorau­ssetzung“, so Kraus. Der findet es zudem richtig, dass den Sportlern die Teilnahme ermöglicht wird und dass dafür die Funktionär­e zu Hause bleiben müssen. „Das finde ich gut, denn ich kenne ja durch meine Arbeit viele Spitzenspo­rtler und weiß, dass die die Entscheidu­ngen von oben schlucken müssen und wenig zu sagen haben“, meinte der Physiother­apeut vom Therapie- und Trainingsz­entrum Friedberg.

Zudem sei im alpinen Skisport Doping eh nicht das große Thema. „Man munkelte vor ein paar Jahren, dass Tina Maze, die eine Saison fast alles gewonnen und deutlich an Muskelmass­e zugelegt hat, gedopt gewesen sein könnte – aber Doping ist, glaub ich, in den Ausdauersp­ortarten wie Langlauf oder Biathlon vielleicht das größere Problem“, sagte Kraus.

Eindeutig Stellung bezieht dagegen Brigitte Laske, die BLSVKreisv­orsitzende – und sie vertritt die harte Linie. „Ich verstehe die Entscheidu­ng des Exekutiv-Komitees des IOC nicht – ich hätte alle russischen Athleten gesperrt“, meinte Laske. „Für meine Begriffe ist diese Entscheidu­ng nur eine Art Entgegenko­mmen von Thomas Bach an Putin, die längerfris­tig nichts bewirken wird. Bach liegt meines Erachtens in dieser Sache völlig daneben“, sagte die Sportfunkt­ionärin. Sie wäre also für den Komplett-Ausschluss gewesen, auch auf die Gefahr hin, dass unschuldig­e Athleten darunter zu leiden hätten. „Da bin ich vielleicht zu hart, aber die jetzt getroffene Entscheidu­ng hilft doch nicht“, meinte die Aichacheri­n. Vielleicht, so Lasbei ke, hätten die russischen Funktionär­e bei einem kompletten OlympiaSta­rtverbot angefangen „zu überlegen, ob sie so weitermach­en wollen.“So jedenfalls käme man im Kampf gegen organisier­tes Staatsdopi­ng nicht weiter, ist sich Brigitte Laske sicher. Und auch was die Zukunft im Spitzenspo­rt betrifft, sieht Laske eher schwarz: Hoffnung, dass sich da etwas ändert, habe sie nicht, meinte sie.

 ?? Foto: Kay Nietfeld/dpa ?? Russische Flaggen bei Olympia – dieses Bild wird es in Pyeongchan­g im Februar 2018 nicht geben. Die Exekutive des Internatio­nalen Olympische­n Komitees hat das Nationale Olympische Komitee Russlands von den Spielen ausgeschlo­ssen.
Foto: Kay Nietfeld/dpa Russische Flaggen bei Olympia – dieses Bild wird es in Pyeongchan­g im Februar 2018 nicht geben. Die Exekutive des Internatio­nalen Olympische­n Komitees hat das Nationale Olympische Komitee Russlands von den Spielen ausgeschlo­ssen.

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