Faden und Farben
Die Arbeiten der Französin Nès Joëssel sind erstmals in Deutschland zu sehen
Nès Joëssel – der Name hat etwas Geheimnisvolles. Tatsächlich, wenn man ihn eingibt bei Google, wo es doch zu allem und jedem immer tausendfach „Treffer“gibt, ist er wie ein Ruf ohne Echo. Nès Joëssel – große Unbekannte. In Augsburg aber, mit den Suchwörtern „Zeitsicht Art Award“, wird die 1969 in Rennes geborene Künstlerin jetzt ein Begriff. Ihre Materialbilder sind in der Galerie im Höhmannhaus ausgestellt. Es ist die erste Ausstellung der Französin in Deutschland.
Auf Vorschlag des international renommierten Künstlers Daniel Knorr, Teilnehmer der diesjährigen Documenta in Athen und Kassel, hat Nès Joëssel den alle zwei Jahre von der Augsburger „Hauser Consulting“ausgelobten „Zeitsicht“-Kunstpreis zuerkannt bekommen. Knorr hat Joëssel in Berlin kennengelernt, wo die Französin mit ihrer Familie lebt.
Joëssel verbindet Malerei und Druck mit Stoff, sie vernäht Garne und Fäden auf ihren Leinwänden. Es gibt Bilder, aus denen Büschel von Hanffasern quillen, die aussehen wie helles Rosshaar. Die Künstlerin arbeitet mit Farbfeldern und baut und fügt ihre abstrakten Werke aus rechteckigen Formen und Quadraten, Linien, Bögen und Flecken. Das ist mal fast streng geometrisch, dann wieder organisch fließend. Ein feines Gespür für Farbklänge ist diesen collagierten Werken eigen. Auf fast allen Bildern finden sich „Eingriffe“mit Stoffen – sie benäht und bestickt Siebdrucke und Leinen. Patchwork-Malerei, wenn man so will, Bildstrukturen mit haptischem Reiz. Die Farbfeldraster und die Bildräume, in die sie in Handar- beit mit Fäden eindringt, rufen Vorbilder auf wie Paul Klee oder Robert Delaunay, aber auch die „Combine“-Paintings von Robert Rauschenberg.
Die Französin, die als ausgebildete Schauspielerin arbeitete, bevor sie sich der bildenden Kunst zuwandte, „vernäht“nicht nur unterschiedliche Räume und Farbflächen auf ihren Bildern miteinander – ihre Interventionen mit Garn und Wollfäden setzen auch schöne Akzente, geben ihren zweidimensionalen Arbeiten gleichsam eine eigene Stofflichkeit. Mal sind es nur winzige Flicken, die erst auf den zweiten Blick zu erkennen sind, dann wieder drängen die bunten Inseln nach vorne in den Blick. Nès Joëssels Interventionen wirken mal wie zart hingetupft, dann wieder wie grelle Ausrufezeichen. Wie feinnervig sie Stoffe, Flächen, Farben und Strukturen im wahrsten Sinne des Wortes miteinander verwebt und vernetzt und in Beziehung bringt – das macht den Reiz dieser Tableaus aus.
In einer der 15 großformatigen Arbeiten, die in der Galerie im Höhmannhaus ohne jede vermittelnde Handreichung und Information (Titel? Entstehungsjahr? Material? Technik?) an den Wänden hängen, hat die 48-jährige Nès Joëssel kleine Verpackungsfetzen und Abfälle in Hanffasernestern auf einer in Tarnfarben grau und grün bemalten Leinwand integriert. Da gibt es dann eine Querverbindung zu ihrem Fürsprecher Daniel Knorr, der aus Fundstücken von der Straße (so auch in Athen auf der Documenta), die er presst, Bücher herstellt. Laufzeit der Ausstellung zum 13. Zeitsicht Art Award 2017 bis 7. Januar im Höhmannhaus, Di. bis So. 10 – 17 Uhr