Noch ein Klassik Star
Gegen den Dirigenten Charles Dutoit erheben Frauen schwere Vorwürfe. Mehrere Orchester haben bereits reagiert
London/New York Nach Vorwürfen wegen sexueller Übergriffe sind mehrere internationale Auftritte des 81-jährigen Star-Dirigenten Charles Dutoit abgesagt worden. Der gebürtige Schweizer soll Sängerinnen und eine Musikerin in US-Städten zwischen 1985 und 2010 bedrängt haben, etwa in einem Fahrstuhl und in einem Ankleideraum. Dutoit sei ab sofort von seinen Konzertverpflichtungen entbunden worden, teilte das Royal Philharmonic Orchestra am Freitag in London mit. Dort ist Dutoit Chefdirigent. Die Vorwürfe müssten rasch geklärt werden. „Charles Dutoit muss eine faire Chance erhalten, Rechtsberatung einzuholen und diese Vorwürfe anzufechten“, heißt es.
In den USA kündigten Orchester in San Francisco und Boston die Zusammenarbeit mit Dutoit. Das San Francisco Symphony habe „sämtliche Verbindungen“zu dem Dirigenten gekappt und habe „null Toleranz“für sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz, teilte das Orchester mit. Das Boston Symphony Orchestra beendete die Zusammenarbeit wegen der „extrem besorgniserregenden Vorwürfe“gegen Dutoit. Von seinen in den kommenden Monaten in New York und Chicago geplanten Konzerten sei Dutoit zurückgetreten, teilten die New Yorker Philharmoniker und das Chicago Symphony Orchestra mit.
Dutoit selbst hat inzwischen alle Anschuldigungen zu sexuellen Übergriffen zurückgewiesen. Die Vorwürfe von vier Frauen entbehrten jeder Grundlage, teilte der 81-Jährige mit. „Die Anschuldigungen haben mich genauso wie meine Freunde und Kollegen geschockt.“Er werde sich juristischen Rat suchen.
Dutoit, 1936 in Lausanne geboren, ist ein für seine musikalischen Leistungen vielfach ausgezeichneter Dirigent. Vor seinem Engagement in London hatte er Chefpositionen bei solch renommierten Klangkörpern inne wie den Sinfonieorchestern in Montréal, Paris und Tokio. Der mehrsprachige Dutoit, der in vierter Ehe mit einer kanadischen Musikerin verheiratet ist, gilt als Kosmopolit und hat unter anderem Wohnsitze in Frankreich, Kanada und Japan. Im Zuge der durch den Hollywood-Mogul Harvey Weinstein ins Rollen gekommenen Missbrauchs-Debatte ist Dutoit der zweite Dirigent von internationalem Rang, dem sexuelle Übergriffe angelastet werden. Vor knapp drei Wochen hat die Metropolitan Opera in New York ihren langjährigen Musikdirektor James Levine wegen massiver Missbrauchsvorwürfe vorerst suspendiert.