Eine Frau und viele Männer
Ist Lola verwegen oder verzweifelt?
„Ihr Rock liegt eng an den Schenkeln an. Er ist wie immer zu kurz. Der Stoff kräuselt sich. In der Regel kauft sie ihre Röcke immer eine Nummer zu klein. Sie hat eine Schwäche für knallige Farben. In ihrem Alter setzt man Neongelb noch mit der Sonne und Ferrarirot mit Granatapfelsaft gleich. Sie verlässt das Haus, siegesgewiss lächelnd …“
Ja, Lola geht auf Jagd, und wieder wird sie auf High Heels in Paris irgendeinen Mann erbeuten, dem sie dann ein Stück Fingernagel abknipst, als Teil ihrer Trophäensammlung. Es geht viel um Sex in diesem Debütroman der 38-jährigen Französin Julie Estève – für Zartbesaitete ist das sicher nichts. Aber für Romantiker mit Hang zum postmodernen Geschlechterdrama allemal.
Denn natürlich gerät Lola irgendwann an einen, von dem sie auch anders berührt werden will. Und natürlich ist das ein merkwürdiger Typ: „Er weint nur über erfundene Geschichten, nicht über wahre.“Aber ob der Alltag der Liebe und das zärtliche Beinanderliegen in die Lustwelt der Generation Tinder (natürlich kommt Lola ohne Dating-App aus) überhaupt noch passt? Mächtig Drive entwickelt Julie Estève in diesem kurzen Roman; Vorbilder wie die über solche Romane zum Star gewordene Landsfrau Virginie Despentes („Baismoi“) sind herauszulesen. Aber wenn jene es schafft, dabei auch noch kritische Gesellschaftbilder zu entwickeln, so bleibt hier nichts als ein Reigen aus starken Szenen.
Übs. Christi an Kolb. Rowohlt. 160 S., 19,95 ¤