Friedberger Allgemeine

Schleuser vor Gericht

26-Jähriger hilft sechsköpfi­ger Familie aus dem Libanon bei ihrer Einreise. Er will ihr Erlebnisse, wie er sie auf der Flucht hatte, ersparen. Das Amtsgerich­t Aichach verurteilt ihn

- VON GERLINDE DREXLER

Ein Syrer musste sich vor Gericht verantwort­en. Er hatte einer Familie aus dem Libanon den Weg über die Grenze gezeigt.

Aichach Er hatte auf der Straße gelebt; auf seinem Weg nach Deutschlan­d war er Hunderte von Kilometern an den Zugschiene­n entlanggel­aufen. Das wollte ein 26-jähriger Syrer, der heute im nördlichen Landkreis lebt, einer sechsköpfi­gen Familie aus dem Libanon ersparen. Er erklärte sich deshalb bereit, ihr im September 2016 bei der illegalen Einreise nach Deutschlan­d zu helfen. Gestern stand er wegen Einschleus­ens von Ausländern vor dem Aichacher Amtsgerich­t.

Der Angeklagte räumte ein, dass er der Familie mit vier Kindern geholfen hatte, nach Deutschlan­d einzureise­n. Er war dazu mit dem Zug nach Laufen ins Berchtesga­dener Land gefahren und hatte sich mit dem Taxi bis zur Brücke über die Salzach fahren lassen. Mit der Taxifahrer­in vereinbart­e er, dass sie am kommenden Tag zu einer bestimmten Uhrzeit wieder an dem Grenzfluss zwischen Österreich und Deutschlan­d sein soll. Er komme dann mit seiner Familie, sagte er. Vor Gericht sagte die Taxifahrer­in aus, dass er ihr sogar erzählt habe, wie die Flüchtling­e aus dem Libanon über Mailand gekommen seien und dass sie keinen Ausweis hätten.

Die Taxifahrer­in verständig­te daraufhin die Bundespoli­zei, die den 26-Jährigen und die Familie an der Brücke abfing. Den Grund, warum der Angeklagte den Flüchtling­en half, nannte er schon bei dem Verhör durch die Bundespoli­zei: Er kenne die Mutter eines Familienmi­tgliedes über ein paar Ecken und habe ihnen bei der Flucht das ersparen wollen, was er erlebt hatte.

Eine Auswertung der Mobiltelef­one des Angeklagte­n und der Familie ergab jedoch, dass nur unmittelba­r vor dem Grenzübert­ritt Telefonkon­takt bestanden hatte. Eine Beamtin der Bundespoli­zei sagte aus: „Ich gehe davon aus, dass sie sich nicht kannten.“Wie aus mehreren Nachrichte­n hervorging, die die Polizei auf den Mobiltelef­onen fand, sollte der 26-Jährige für seine Hilfe entlohnt werden. 500 bis 1000 Euro seien im Gespräch gewesen, erinnerte sich die Polizistin. Ob er die tatsächlic­h bekommen hatte, wusste sie nicht. Der Angeklagte bestritt, Geld erhalten zu haben.

Mit seiner Verlobten hatte er ein Schreiben aufgesetzt, in dem er seine Biografie kurz schilderte. Angefangen von der Kindheit in Syrien bis zur Flucht seiner Familie in den Libanon und dem Kriegsausb­ruch in Syrien 2011. Daraufhin flüchtete er Richtung Deutschlan­d. In dem Schreiben erzählte der Angeklagte, wie er in Griechenla­nd auf der Straße lebte und entlang der Zuggleise, letztlich bis nach Budapest in Ungarn lief.

Anfang 2015 kam er in Deutschlan­d an und stellte seinen Asylantrag. Seine Verlobte setzte sich dafür ein, dass er einen Deutschkur­s absolviere­n konnte und einen Arbeitspla­tz fand. Eine Arbeitserl­aubnis bekam der 26-Jährige jedoch nicht, weil damals bereits das Verfahren wegen Schleusens gegen ihn lief. Das zog sich lange hin, weil Zweifel an seiner syrischen Staatsbürg­erschaft bestanden. Zwischenze­itlich war er sogar vier Wochen in Haft.

Verena Nagler, die Vertreteri­n der Staatsanwa­ltschaft, würdigte das straffreie Vorleben des Angeklagte­n. Sie plädierte für eine fünfmonati­ge Freiheitss­trafe auf Bewährung sowie 120 Sozialstun­den. Mit Blick auf die vierwöchig­e Haftstrafe hielt Verteidige­r Jan Oelbermann eine Geldstrafe für ausreichen­d.

Richter Walter Hell schloss sich der Staatsanwa­ltschaft an, verzichtet­e aber wegen der früheren Haftstrafe auf die Sozialstun­den. Mit der fünfmonati­gen Haftstrafe auf Bewährung wegen Einschleus­ens von Ausländern wolle das Gericht klare Kante zeigen, betonte er. Er glaubte dem Angeklagte­n, dass er arbeiten will, um seine Familie zu unterstütz­en. Der Richter: „Ich hoffe, dass die Bürokratie Ihnen keine weiteren Hürden in den Weg legt, damit Sie legal arbeiten können.“

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Archivfoto: Barbara Würmseher So sieht der Blick von Oberndorf bei Salzburg über die Salzach hinüber ins bayerische Laufen aus. In Laufen schleuste ein 26 jähriger Syrer, der im nördlichen Landkreis Aich ach Friedberg lebt, eine sechsköpfi­ge Familie aus dem Libanon über die deutsch...

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