Warum eine Ärztin die Krankenkasse betrog
Eine Medizinerin erfand Rechnungen über insgesamt 75000 Euro. Vor Gericht kommen ihr zwei Dinge zugute: Sie zahlte das Geld zurück und sie steckte in einer schwierigen privaten Situation
Durch Abrechnungsbetrug im Gesundheitswesen entstehen den Kassen jährlich Schäden in Milliardenhöhe. Die Justiz in Augsburg hat sich schon mehrmals mit der sogenannten „Pflegemafia“beschäftigt, die mit fingierten Rechnungen ordentlich abkassiert hat. Nicht immer hat der Betrug aber System. Eine Ärztin, 55, ist jetzt von einem Schöffengericht zu einer Bewährungsstrafe von 21 Monaten verurteilt worden, weil sie eine private Krankenkasse um 75 000 Euro über den Tisch gezogen hat. Ein Fall, bei dem allerdings die schwierige private Situation der Verurteilten eine große Rolle gespielt hat.
Die Medizinerin musste sich intensiv um ihre kranke Tochter kümmern, sie hatte zudem hohe Schulden. Beide waren privat versichert. Zwischen Dezember 2014 und März 2016 fälschte sie auf dem PC insgesamt 27 Einzelrechnungen für Klinik- und Chefarztbehandlungen ihrer Tochter, die allerdings nie stattgefunden hatten, und reichte sie in fünf Chargen bei der privaten Kasse ein. Die zahlte prompt insgesamt 75 439,46 Euro an die Ärztin aus. „Ich war in einer Notlage, habe damit Schulden beglichen“, gestand sie verschämt dem Gericht unter Vorsitz von Rita Greser. Heute, so fügte die Angeklagte hinzu, „ist mir das alles unerklärlich, ich kann es nicht nachvollziehen, warum ich das gemacht habe“. Als die Kasse bei einer Kontrolle auf Auffälligkeiten bei den Rechnungen stieß und bei den betroffenen Kliniken nachfragte, schaltete sie die Kripo ein.
Die Medizinerin ergriff die Flucht nach vorne. Bereits im September 2017 hatte sie den Schaden wiedergutgemacht, alles an die Krankenkasse zurückbezahlt. Dafür hatte sie einen Kredit aufgenommen, an dem sie noch heute knabbert.
Staatsanwältin Julia Scholz hatte die Ärztin des fünffachen gewerbsmäßigen Betrugs und Urkundenfälschung angeklagt – ein Strafvorwurf, bei dem nicht selten eine Gefängnisstrafe verhängt wird. Obwohl zahlreiche Punkte, die schwierige persönliche Situation, Geständnis und Rückzahlung, für die Angeklagte sprachen, forderte die Anklägerin eine Haftstrafe von zweieinhalb Jahren. Verteidiger Dr. Rudolf Ratzel sagte, die Taten seien nicht zu entschuldigen, er bat aber das Gericht, es möge menschlich mit seiner Mandantin umgehen. Der Anwalt hielt eine Bewährungsstrafe für angemessen. Seinem Plädoyer folgte das Schöffengericht. Es verhängte eine Strafe von 21 Monaten zur Bewährung plus einer Geldauflage von 4000 Euro.
Heute ist der Frau die Tat unerklärlich