Wohin mit den Chefs?
Als Parteivorsitzende haben Horst Seehofer und Martin Schulz einen Freifahrtschein ins Kabinett. Das Problem ist nur: Beide sind angezählt und würden außerdem Plätze blockieren, auf die andere scharf sind
Augsburg Zumindest so viel steht fest: Wenn Horst Seehofer ein Ministerium will, dann wird er es auch bekommen. Und zwar nicht irgendeins. Für einen CSU-Chef muss es schon etwas mit Gewicht sein. Arbeit und Soziales zum Beispiel. Erfahrung hat der 68-Jährige mehr als genug. Und demnächst auch eine Menge Zeit. Schließlich will er sein Amt als bayerischer Ministerpräsident versprochenermaßen spätestens Ende März an Markus Söder abgeben. Dann wäre der Weg nach Berlin frei. Bleibt nur die Frage: Will Seehofer überhaupt noch zurück in die Hauptstadt?
Ein Satz, den CSU-Leute gerade gerne sagen, wenn es um die Zukunft ihres angeschlagenen Anführers geht, lautet ungefähr so: Horst Seehofer ist ein politisches Schwergewicht, keiner könnte den bundespolitischen Einfluss der CSU besser garantieren als er. Das hat nicht nur mit der üblichen Lobhudelei zu tun. Seehofers Wort gilt immer noch etwas. Sein Wechsel würde allerdings einen personellen Kollateralschaden anrichten. Denn die Sitzplätze am Kabinettstisch sind nun einmal begrenzt und mehr als drei CSULeute werden dort nicht Platz nehmen.
Und so gibt es also einige Parteifreunde, die noch ein bisschen gespannter als die anderen auf die Entscheidung ihres Chefs warten. Der Flurfunk sagt seit Monaten, dass Andreas Scheuer gesetzt ist. Er gehört schließlich schon lange zu den Berlinern in der CSU. Seit 2002 sitzt er im Bundestag und bevor er Generalsekretär wurde, hat er bereits Regierungserfahrung als Staatssekretär im Verkehrsministerium gesammelt. Das sollte fürs Erste genügen. Ein weiterer potenzieller Posten ist für eine Frau reserviert. Nach der Rückkehr der früheren Verbraucherministerin Ilse Aigner 2013 in den Freistaat und dem Abschied der bisherigen Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt soll die erste CSU-Reihe nicht zur reinen Männerveranstaltung werden. Die besten Chancen, diese Lücke zu füllen, hat Dorothee Bär, Digital-Expertin, Staatssekretärin und stellvertretende Generalsekretärin. Sollte Seehofer den dritten freien Platz selbst einnehmen, würde ausgerechnet ein CSU-Mann zum großen Verlierer, dem sogar politische Gegner eine gute Bilanz attestieren: Gerd Müller. Der Allgäuer steckt viel Herzblut in sein Amt als Entwicklungsminister. Ob das für eine Weiterbeschäftigung reicht?
In der SPD ist die Sache sogar noch komplizierter. Der Parteivorsitzende Martin Schulz hat einen beispiellosen Absturz vom Heilsbringer zum Buhmann hinter sich. Viele Genossen lasten ihm zudem die verheerenden Umfragezahlen der vergangenen Tage an. Und die Jusos laufen Sturm gegen eine neue GroKo. Es ist noch nicht lange her, dass Schulz im Brustton der Überzeugung versichert hat, niemals als Minister unter Angela Merkel dienen zu wollen. Doch inzwischen gehen die Sozialdemokraten davon aus, dass er trotz aller Beteuerungen versuchen wird, sich in ein Ministerium zu retten. Würde ihm die SPD das verwehren, kann sie ihn auch gleich als Parteichef stürzen. Das würde die Aussichten von Sigmar Gabriel schlagartig verbessern. Der ist zwar beliebt wie nie, muss aber trotzdem um seinen Job als Außenminister zittern, den der Europapolitiker Schulz für sich reklamieren könnte. Von einem Kabinett ohne Schulz könnte auch Andrea Nahles profitieren. Die Fraktionsvorsitzende, die den Chef schon beim Parteitag in den Schatten redete, bekäme dann noch mehr Einfluss.