Wie die Kripo mein Haus unter die Lupe nahm
„Bei uns bricht doch sowieso keiner ein“– mit diesem Satz hat sich unser Reporter Jörg Heinzle lange davor gedrückt, über das Einbruchrisiko nachzudenken. Der Besuch eines Experten der Polizei öffnete ihm die Augen
bin in Gedanken auf alles vorbereitet. Ich weiß ja, dass ich bisher nie groß drauf geachtet habe, ob unser Haus für Einbrecher leicht zu knacken ist. Es sind die üblichen Ausreden, auf die ich mich zurückgezogen habe. Was gibt’s bei uns schon zu holen? Warum soll sich ein Einbrecher ausgerechnet unser Haus aussuchen? Und: Wenn ein Täter irgendwo rein will, schafft er es sowieso. Nun steht Rainer Rindle vor unserer Tür, Hauptkommissar der Augsburger Kripo. Er ist gekommen, um mir die Augen zu öffnen.
Rainer Rindle ist Diplom-Ingenieur, bei der Kripo ist er Experte für Einbruchschutz. Er hat schon tausende Häuser und Wohnungen unter die Lupe genommen. Die Berater der Kripo bieten die Hausbesuche kostenlos an. Viele Menschen seien überzeugt, dass ihr Haus sicher ist, sagt Rainer Rindle. Wenn er hinterher wieder gehe, habe er oft diese Illusionen zerstört – und Arbeit hinterlassen. Denn er macht, wenn er Schwachstellen findet, auch konkrete Vorschläge, wie man die Sicherheit verbessern kann.
Zuerst nimmt sich Rainer Rindle die Haustür vor. Das macht er immer so. Er nickt zufrieden. Sie ist stabil, massiv verankert und hat an mehreren Stellen Schließriegel. Eine gute Tür. Doch das Schloss gefällt ihm nicht. Der Zylinder steht nach vorne über, er lässt sich deshalb leicht abbrechen. Er empfiehlt einen Schutzbeschlag, der das Schloss besser abdeckt. Ist das teuer? Nein, für 30 Euro bekommt man das.
Haustüren sind oft gut gesichert, sagt der Fachmann. Er sieht wahre Bollwerke gegen Einbrecher. Dabei ist das Risiko, dass ein Täter über die Haustür reinkommt, gar nicht so groß. Nur in rund zehn Prozent der Fälle passiert das. Meist ist die Haustür von der Straße aus gut zu sehen. Das Risiko, erwischt zu werden, ist groß. Die eigentlichen Einfallstore – in gut 80 Prozent der Fälle – sind Fenster, Terrassentüren und Nebeneingänge. Sie sind meist schlechter geschützt.
Rainer Rindle ist ein freundlicher Mann. Er findet stets auch etwas Positives. Auch an unserer Terrassentür, die er jetzt öffnet und von allen Seiten begutachtet. An elf Stellen gibt es Schließriegel. Das ist viel. Doch ihr Nutzen ist überschaubar, erfahre ich. Denn wer geübt ist, kann die Tür trotzdem mit einem Schraubenzieher aufstemmen, sagt der Kommissar. Was fehlt, sind Zapfen in Pilzform, die sich beim Schließen des Fensters in einem Gegenstück so verkanten, dass man sie nicht mehr rausstemmen kann. Aber die Fenster sind doch erst fünf Jahre alt? Nun, sagt Rainer Rindle, es gibt eben keine Norm für den Einbruchschutz, an die sich Architekten und Fensterbauer halten müssen. Wenn sie ein günstiges Angebot machen, ist das Thema Einbruch meist nachrangig.
Es gibt noch eine Schwachstelle an unseren Fenstern: Die Griffe sind nicht abschließbar. Rainer Rindle zeigt mir ein Foto. Darauf ist zu sehen, wie ein Täter mit einem Schraubenzieher die Scheibe durchstoßen hat. Es gelang ihm danach, den Griff so weit zu drehen, dass das Fenster aufsprang – und schon war er drin. Aber unsere Fenster sind doch dreifach verglast. Für einen Einbrecher, der etwas Geschick und Routine hat, ist auch das kein Problem, sagt Rainer Rindle. Also gut. Ich sehe es ein. Wir werden nachIch rüsten. Das geht bei jedem Fenster, lasse ich mir erklären. Es gibt Sicherungen zum Aufschrauben. Die sind zwar sichtbar, dafür aber einiges günstiger als neue Fensterbeschläge.
In den ersten Stock will der Polizist nicht. So lange es keine Balkone oder andere Möglichkeiten gibt, um leicht nach oben zu klettern, drohe dort keine Gefahr, sagt er. Dafür gehen wir in den Keller. Ja, ich weiß, dort sind die Fenster noch etwas leichter zu überwinden. Was er dazu sagen wird? Rainer Rindle interessiert sich dafür gar nicht weiter. Ihm geht es um etwas anderes: Der Gitterrost auf dem Lichtschacht ist nicht gesichert. Ein Einbrecher kann ihn einfach abheben, in den Schacht klettern und dann in aller Ruhe das Fenster aufbrechen.
Doch auch hier weiß der Mann von der Kripo einen Rat. Die Gitter lassen sich mit einfachen Sicherungen, meist Ketten, so im Schacht oder an der Kellerwand befestigen, dass der Weg verbaut ist. Also noch mehr, was es zu tun gibt. Doch der Hauptkommissar hat auch gute Nachrichten. Alle Türen und Fenster sind von außen gut zu sehen. Direkt am Gartenzaun verläuft der Zugang zu einem großen Mehrfamilienhaus. Dieser Weg ist nachts beleuchtet. Es gibt keine großen Bäume oder Büsche. Das, sagt er, macht es für einen Täter extrem unangenehm. Er muss immer damit rechnen, erwischt zu werden.
Dass wir keine Wertsachen zu Hause haben – meine teuerste Uhr ist von H&M und hat 35 Euro gekostet – spielt keine Rolle. Der Einbrecher, sagt Rainer Rindle, kann ja nicht ahnen, was wir besitzen. Und oft ist der materielle Schaden gar
Wenn er wieder geht, sind Illusionen zerstört
Eine Frau musste nach einem Einbruch ausziehen
nicht das Problem. Es sind die psychischen Folgen. Die Unsicherheit, die man plötzlich spürt. Er erzählt von einer älteren Frau, die danach Albträume hatte und nachts beim kleinsten Geräusch aufschreckte. Bei einer jüngeren Frau brach nach einem Einbruch Asthma aus. Erst als sie umzog, wurde es besser.
Aber ich hab’ doch überhaupt keine Angst vor Einbrechern. Rainer Rindle nimmt mir auch diese Illusion. Man kann es vorher nicht abschätzen, wie es einem nach einem Einbruch geht, sagt er. Als der Kommissar gegangen ist, habe ich eine Liste in der Hand, auf der seine Vorschläge für unser Haus notiert sind. Und eine Übersicht von Firmen, die vom Landeskriminalamt geprüft wurden. Es gibt was zu tun.
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Lieber Einbrecher, sollten Sie jetzt Ihre Chance wittern: Es lohnt sich nicht, bei uns vorbeizuschauen. Es gibt sowieso nichts zu holen. Und jetzt kommen Sie auch gar nicht mehr rein.
OInfo Die Berater der Kripo sind er reichbar unter 0821/323 3737.
Jörg Heinzle, 37, hat als Polizeireporter schon viel über Einbrüche geschrie ben, es privat aber zum Glück noch nie erlebt.