Union und SPD müssen noch einmal nachsitzen
Die Liste der strittigen Themen wird immer länger. Gibt es heute eine Einigung?
Berlin/Augsburg Die Hängepartie zwischen Union und SPD wird immer nervenaufreibender. Entgegen ihrer ursprünglichen Absicht benötigen die Verhandlungsführer der drei Parteien auch noch den heutigen Dienstag, um sich auf eine Neuauflage der Großen Koalition zu einigen, wenn nicht sogar ein paar Tage mehr. Nach Informationen unserer Zeitung ist die Liste der strittigen Themen gestern stündlich länger anstatt kürzer geworden.
Neben den bekannten Auseinandersetzungen um das Befristen von Arbeitsverträgen und die Arzthonorare liegen Union und SPD danach auch bei der Verteilung von Steuereinnahmen auf Bund, Länder und Gemeinden über Kreuz. Außerdem soll die SPD noch Gesprächsbedarf beim Thema Rüstungsexporte sowie bei der Finanzierung der Bundeswehr angemeldet haben. Über die Verteilung der einzelnen Ressorts auf CDU, CSU und SPD wurde bis Redaktionsschluss dieser Ausgabe noch nicht einmal gesprochen.
Mit dem Argument, sie dürfe ihren Mitgliederentscheid nicht verlieren, verlange die SPD immer neue Zugeständnisse, kritisierte ein Unterhändler der Union. Heute Vormittag sollen die Verhandlungen in der CDU-Zentrale weitergehen, für den späten Nachmittag hat die Union ein Treffen aller Fachpolitiker angesetzt, die mit der SPD verhandelt haben. Vorher kann es nach Einschätzung aus Teilnehmerkreisen kaum ein Ergebnis geben. Der Wille, sich zu einigen, sei da, hatte Familienministerin Katarina Barley (SPD) zuvor betont. „Aber so lange wir nicht ganz bis zu Ende sind, ist eben noch kein Haken dran.“
Abgeschlossen haben CDU, CSU und SPD das Thema Europa. Die Pläne sähen einen Investitionshaushalt für die Eurozone und „ein Ende des Spardiktats“vor, teilte SPDChef Martin Schulz mit. Außerdem soll es mehr Mittel im Kampf gegen Jugendarbeitslosigkeit geben sowie eine „gerechte Besteuerung“von Internetgiganten wie Google, Apple, Facebook und Amazon. Auch ein „Sozialpakt für Europa“soll im Koalitionsvertrag stehen.
Umstritten ist nach wie vor die Rolle von Schulz. Der SPD-Abgeordnete Axel Schäfer hat die Parteispitze deshalb aufgefordert, die Namen der möglichen Minister rasch offenzulegen. In der SPD gibt es erhebliche Bedenken, ob Schulz ins Kabinett gehen soll. Bisher ist geplant, den 440000 Mitgliedern den Koalitionsvertrag zur Abstimmung vorzulegen – mit der Information, welche Ministerien die SPD bekommt, allerdings ohne die Namen der ins Auge gefassten Minister.
Nach einer Umfrage des Insa-Instituts bekämen Union und SPD bei Neuwahlen heute keine Mehrheit mehr für eine Koalition: Danach kämen die C-Parteien nur noch auf 30,5 Prozent und die SPD nur noch auf 17 Prozent.
»Kommentar Plant die Kanzlerin einen Kurswechsel in der Europapolitik? »Leitartikel
Der Streit um die ZweiKlassen-Medizin. »Politik
Die Stimmung am letzten Verhandlungstag.