Finanzskandal erschüttert Bistum
Ein Ex-Mitarbeiter und sein Geschäftspartner sollen die katholische Diözese Eichstätt mit fragwürdigen Darlehen um 60 Millionen US-Dollar betrogen haben. Wer trägt die Verantwortung?
Augsburg/Eichstätt Im Bistum Eichstätt spielt möglicherweise einer der größten Finanzskandale der katholischen Kirche in Deutschland: Nach Informationen unserer Zeitung könnte dem Bistum durch einen früheren Mitarbeiter und dessen Geschäftspartner ein Schaden von 60 Millionen US-Dollar, das sind umgerechnet etwa 48,2 Millionen Euro, entstanden sein. Bei dem ehemaligen Bistumsmitarbeiter soll es sich dem Vernehmen nach um den früheren Finanzdirektor handeln.
Der Mann soll mit krimineller Energie vorgegangen sein und Kredite für Bauvorhaben in den USA vergeben haben, ohne sie, etwa durch eine Grundschuld, abzusichern. Das bestätigte eine Sprecherin der für Wirtschaftsstrafsachen zuständigen Schwerpunktstaatsanwaltschaft München II gestern unserer Zeitung. Zudem soll er in die eigene Tasche gewirtschaftet haben.
In einer gestern veröffentlichten Pressemitteilung wurde das Bistum nicht konkret, teilte aber mit: „Der Vorwurf lautet auf Untreue, Bestechung und Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr.“Bistumssprecher Martin Swientek sagte auf Nachfrage: „Es wurden Darlehen in Höhe von 60 Millionen US-Dollar vermögensgefährdend und ohne Absicherung gewährt.“Ähnlich äußerte sich die Sprecherin der Staatsanwaltschaft, Karin Jung: „Wir gehen davon aus, dass der mögliche Schaden für das Bistum Eichstätt 60 Millionen US-Dollar beträgt.“Die tatsächliche Schadenshöhe könne jedoch noch nicht beziffert werden. Ob das Geld ganz weg ist oder teilweise in Form von eventuellen Rückzahlungen zurückfließt, lässt sich momentan nicht absehen.
Der Eichstätter Bischof Gregor Maria Hanke hatte Mitte 2017 eine Münchner Anwaltskanzlei beauftragt, Anzeige gegen den früheren Mitarbeiter und eine „als Projektentwickler im Immobilienbereich tätige Person“zu erstatten. Bei dieser soll es sich um einen Bekannten des Ex-Mitarbeiters handeln – einen in den USA tätigen früheren deutschen Spitzenbanker, wie der berichtete. Dieser hatte demnach mit einem Geschäftspartner seine Firmenzentrale in Dallas und soll in Projektgesellschaften investiert ha- Laut soll er mit dem früheren Bistumsmitarbeiter „von März 2014 bis Mai 2016 mehr als 30 ungesicherte Darlehen aus Bistumsvermögen an Projektgesellschaften in den USA vergeben haben“. An einigen dieser Gesellschaften könnte der frühere Bistumsmitarbeiter selbst beteiligt (gewesen) sein, hieß es. Staatsanwältin Jung sagte, das Ermittlungsverfahren laufe seit Sommer 2017. Die Beschuldigten befänden sich „seit kurzem in Deutschland in U-Haft“. Alleine für Betrug sieht das Gesetz in besonders schwerem Fall eine Freiheitsstrafe von bis zu zehn Jahren vor.
Einen ersten Verdacht hatte das Bistum im Mai 2017. Damals sei erstmals ein fälliges Darlehen nicht zurückgezahlt worden. Im Rahmen der Umstellung der Finanz- und Vermögensverwaltung seien damit beauftragte externe Fachleute auf Vorgänge gestoßen, „die den Verdacht rechtswidriger Praktiken bei der Anlage des Vermögens nahelegen“. Indizien für ein strafrechtlich relevantes Verhalten seien im Zuge der von Bischof Hanke 2015 initiierten „Transparenzoffensive“zutage gefördert worden. Deren erstes Ziel ist es, das Vermögen der Diözese nach den Kriterien des Handelsgesetzbuches, also nach kaufmännischer Buchführung, zu erfassen.
Diese Art der Buchführung, vergleichbar mit der in Wirtschaftsunternehmen, wird nach und nach in den deutschen Bistümern eingeführt. Sie ist eine Folge des Skandals um den früheren Limburger Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst, der die Baukosten seines künftigen Biben. schofssitzes verschleierte. Bislang war das Kirchenvermögen aus Kirchensteuern oder Spenden für die Öffentlichkeit kaum einsehbar.
Wie unprofessionell die Verwaltung der Kirchenfinanzen teilweise war, sieht man am Beispiel des Bistums Eichstätt. Das strukturierte erst vor einem Jahr seine Finanzund Vermögensverwaltung neu. Zum Ende des Jahres 2016 war der Leitende Finanz- und Baudirektor, ein Domdekan, mit 65 Jahren zurückgetreten. Er sagte damals, dies sei ein Beitrag dazu, „dass die für die Zukunftssicherung der Diözese Eichstätt erforderlichen Schritte im Hinblick auf personelle Strukturen vollzogen werden können“. Zudem verwies er auf die „in den letzten Jahren stark veränderten fachlichen Anforderungen an das Amt des Leitenden Finanz- und Baudirektors“.
In anderen Worten: Der Kirchenmann war ganz offensichtlich überfordert. Ende 2016 trennte sich das Bistum ebenfalls – „einvernehmlich“, wie es erklärte – von seinem Finanzdirektor, der gemeinsam mit dem Baudirektor dem Leitenden Finanz- und Baudirektor unterstellt war. Auf die Fragen, ob und warum der beschuldigte frühere Mitarbeiter des Bistums über Millionensummen verfügen konnte und wer ihn kontrollierte, antwortete Bistumssprecher Swientek: „Der Leitende Finanz- und Baudirektor wurde offensichtlich getäuscht.“
Was genau das Domkapitel, an dessen Spitze der Leitende Finanzund Baudirektor stand, und der Diözesanvermögensverwaltungsrat als Kontrollinstanzen wussten, muss jetzt geklärt werden. Am 4. Dezember 2017 meldete das Bistum jedenfalls auch noch den Rückzug des ehemaligen Leitenden Finanz- und Baudirektors vom Amt des Domdekans in den Ruhestand – aus persönlichen, nicht zuletzt gesundheitlichen Gründen. Der Diözesanvermögensverwaltungsrat besteht seit 1. August 2017, in neuer Besetzung, aus nun „unabhängigen, nicht in einem Dienst- oder ähnlichen Verhältnis zu einem kirchlichen Rechtsträger stehenden Experten“.
Und die Zahl der Beschuldigten? „Alle Anzeichen deuten darauf hin, dass die beiden in unserer Presseerklärung Genannten den Schaden zu verantworten haben. Sonst niemand“, sagte Swientek.