Was passiert, wenn zu Rock Hits getanzt wird
Das Ballett des Theaters Augsburg zeigt in „Ballett? Rock it!“drei Choreografien zur Musik von Superstars
Augsburg Größer kann das Interesse an einer Ballettproduktion nicht sein. Alle Vorstellungen für „Ballett? Rock it!“in der Brechtbühne des Theaters Augsburg sind bereits vor der Premiere ausverkauft. Zum einen kann das daran liegen, dass sich das Augsburger Ballett seit Jahren großer Beliebtheit erfreut, zum anderen kann es der Musikauswahl geschuldet sein. Getanzt werden soll zu Bruce Springsteen, David Bowie und den Musikern, die als früh Gestorbene, als „Klub 27“, in die Rockgeschichte eingegangen sind: Jimi Hendrix, Janis Joplin, Jim Morrison, Kurt Cobain, Amy Winehouse. Kann da etwas schiefgehen?
Musikalisch nicht. Die Songs tragen spielend über den fast dreistündigen kurzweiligen Abend. Erschöpfungszustände gibt es auch nicht bei den männlichen Tänzern, die in allen drei knapp 45 Minuten langen Choreografien zum Einsatz kommen. Da werden am Ende des Abends die Schritte so präzise wie am Anfang gesetzt. Im zweiten Teil, wenn zu den Klängen von David Bowie nur fünf Tänzer auf der Bühne sind, hat der Abend mit „Heroes-A“seinen Höhepunkt.
Vor knapp sechs Jahren hat Marguerite Donlon ihre Choreografie in Saarbrücken zum ersten Mal auf die Bühne gebracht. Mit Witz, Charme, aber auch Klugheit erzählt sie fünf Geschichten: von der Dragqueen und ihren Prada-Schuhen, vom Tänzer, der wegen eines Bruchs beinahe seine Karriere aufgeben muss, vom Träumer, den die Musik fortreißt, und von dem Hobby-Stripper, dem die Smartphone-Filme der Partygäste den Spaß verderben. Die Tänzer erzählen – jede Geschichte geht nahtlos in einen Tanz über. Diese nehmen zu Beginn Motive auf, die jeder kennt: den mit dem Kopfhörer entrückten Tänzer; der Tisch, der als Schlagzeug dient; die Haare, die durch die Luft fliegen. Diese Motive ziehen die ersten Tanzschritte nach sich.
Aber was in der Mitte des Abends so einfach aussieht und so spielerisch gelingt, Hits von Bowie, jede Menge Humor, aber auch anrührende Momente und dazu noch eine verbindende Geschichte, ist nicht selbstverständlich. Auch im „Klub 27“, den Ballettdirektor Ricardo Fernando von seiner vorigen Station am Theater Hagen an seinen neuen Schaffensort Augsburg mitgebracht hat, geht es tanzend quer durch verschiedene Stile. Wenn Nirvana zu hören ist, gleicht das einer Eruption der Körper, die auf dem Boden endet. Davor gibt es Klammerblues und über Minuten gehaltenen Kuss. Wenn Sofia Romano „Mercedes Benz“singt, wippt das Publikum mit, der abschließende EnsembleTanz reißt alle mit. Dass es in der Choreografie um Songs von Musikern geht, die mit 27 Jahren gestorben sind, war allerdings mehr dem Programmheft als der Darbietung zu entnehmen. Das Potenzial, den frühen Tod der Musiker dem Sog der Songs gegenüberzustellen, schöpft Fernando in seinem „Klub 27“nur in Ansätzen aus.
In weißen Anzügen schickt HausChoreograf Riccardo de Nigris zu Beginn des Abends das Ensemble auf die Bühne. „Together“heißt das Stück. Der Künstler Felix Weinold wirft im Bühnenbild die Ideen in Worten per Projektion an die Wand. Von „Together“bleibt ein „Her“stehen, von „Passion“ein „Ass“. Es geht um Gegensätze – um Männer und Frauen, um Romantik und Machismo. Aber die Musik von Bruce Springsteen will nicht wirklich zu dieser Idee und dem Getanzten passen. Und warum in einem Koffer eine Kamera eingebaut ist, die LiveBilder an die Wand wirft, und wohin der Reisende auf der Bühne unterwegs ist, erschließt sich nicht. Das wirkt nicht organisch entwickelt und zwingend in seiner Logik, sondern gewollt. Ein bisschen etwas ist also schiefgegangen an dem Abend. Trotzdem – getanzt wird auf hohem Niveau und mit Klasse. Langeweile kommt nicht auf.