Absage erntet Buhrufe
Bürgermeister Roland Eichmann stößt auch in seiner Partei auf Unverständnis. Die Volkshochschule kann keine Zensur erkennen. Kommt „Die Qual der Wahl“dennoch auf die Bühne?
Friedbergs Bürgermeister Roland Eichmann stößt mit seinem Einschreiten gegen „Die Qual der Wahl“auch in seiner Partei auf Unverständnis.
Friedberg Ist das nun Zensur oder nur die Wahrung der politischen Neutralität? Die Volkshochschule (Vhs) muss Buhrufe einstecken für ihre Entscheidung, sich als Veranstalterin des Theaterstücks „Die Qual der Wahl“zurückzuziehen. Und auch die Rolle von Bürgermeister Roland Eichmann sorgt für Diskussionen. Auf der FacebookSeite unserer Zeitung schrieb eine Nutzerin: „Ich bin sehr enttäuscht von unserem Bürgermeister. Erdogan-Style.“Ein anderer notierte: „Der Friedberger Bürgermeister weigert sich, ein Feng-Shui-Gutachten zu veröffentlichen (...), und verhindert nun Kleinkunst?“
Eigentlich war alles bereit für die Premiere am vergangenen Freitagabend. Tobias Hilgers und seine Mitstreiter von der Theatergruppe der Vhs wollten in der Mensa der Mittelschule eine politische Satire mit Anspielungen auf Friedberg aufführen: Die Wahl steht kurz bevor, und im Büro von Bürgermeister Robert Reichmann überschlagen sich die Probleme. Schlechte Presse wegen des Feng-Shui-Gutachtens im Schloss, Ärger mit dem Dienstwagen, dem Hund Paris und der Gegenkandidatin Erika Eser-Huberth von den Grünen.
Flyer hatten Tobias Hilgers und seine Mitstreiter von einer Laienspielgruppe bereits gedruckt. Trotzdem fiel die Aufführung aus, weil die Vhs kurzfristig die Unterstützung für das Stück zurückzog. Damit verloren Hilgers und seine Gruppe auch den Veranstaltungsort. Denn in der Mensa der Mittelschule dürfen, so erklärt es Eichmann, nur städtische Veranstaltungen stattfinden. Das war im Fall von „Die Qual der Wahl“nur möglich, solange die Vhs sich als Veranstalterin beteiligte.
Vhs-Geschäftsführerin Ruth Reisinger kann die Aufregung um die Absage des Stückes nicht nachvollziehen. Die Volkshochschule sei als Veranstalter laut ihrer Leitlinien zu politischer Neutralität verpflichtet. „Das Stück war ganz gezielt auf eine Person ausgerichtet, das finde ich einfach unfair“, sagt Reisinger. Damit spielt sie darauf an, dass sich Hilgers’ Persiflage rund um die Wiederwahl des fiktiven Bürgermeisters Robert Reichmann dreht.
Dass das Stück so kurzfristig abgesagt wurde, erklärt Reisinger damit, dass man bis dato immer gut mit Hilgers zusammengearbeitet habe. Deshalb habe man ihm freie Hand gelassen. Erst als er die Flyer mit ihr habe abstimmen wollen, sei sie darauf aufmerksam geworden, dass es sich bei dem neuen Stück um eine Politsatire handele. Daraufhin habe sie Hilgers darum gebeten, sie das Drehbuch vorab lesen zu lassen. „Ich möchte keinem der Bürgermeister ein Stück unterjubeln, das ich nicht einschätzen kann“, erklärt Reisinger im Gespräch mit unserer Zeitung.
Wie Hilgers bestätigt, weigerte er sich, das Drehbuch von Reisinger freigeben zu lassen. Die Vhs-Chefin forderte ihn daraufhin auf, die Angelegenheit mit Eichmann persönDie lich zu klären. Das Gespräch blieb, wie beide Seiten angaben, ohne Ergebnis. Auch Eichmann schlug Hilgers vor, ihm das Stück vorab zu lesen zu geben. Wieder lehnte Hilgers ab. Wenig später blies die Vhs die Veranstaltung endgültig ab. „Das ist für mich keine Zensur, auf keinen Fall“, sagt Reisinger zu ihrer Entscheidung.
Claudia Eser-Schuberth (Grüne) sieht das anders. „Wenn jemand erst über etwas drüberlesen möchte, um danach zu entscheiden, ob ein Stück aufgeführt wird, dann ist das Zensur.“Für sie sei die Theateraufführung keine politische Veranstaltung, sondern Kunst. Entsprechend zähle auch das Argument nicht, dass man durch die Aufführung einer Politiksatire die politische Neutralität der Vhs verletze. „Das Theater als Kunstform ist schon immer ein Mittel gegen die Mächtigen gewesen“, sagt Eser-Schuberth. Als Politiker müsse man das aushalten können. Das sieht auch Eichmanns Parteifreund Roland Fuchs (SPD) so. Er kenne die Vorgänge zwar nur aus der Zeitung. Der Fraktionsvorsitzende der SPD im Friedberger Stadtrat sagt aber: „Wenn es sich wirklich so zugetragen hat, ich hätte anders reagiert: mich in die erste Reihe gesetzt und das Stück einfach angeschaut.“
Trotz der Aufregung werde Hilgers weiterhin als Dozent mit seiner Theatergruppe für die Vhs tätig sein dürfen, bestätigte Reisinger auf Nachfrage unserer Zeitung. Auch dann, wenn er das Stück „Die Qual der Wahl“privat doch noch zur Aufführung brächte. Genau das hat Hilgers nun auch vor: „Es findet sich bestimmt ein Veranstaltungsraum in Friedberg, in der der Kunst- und Redefreiheit ein entsprechender Stellenwert beigemessen wird.“