Ein vergessener Schatz
„Der Tod Jesu“hat neben dem leidenden stets auch den auferstandenen Christus im Blick. Solisten, Chor und Orchester musizieren unter Leitung von Moritz Hopmann in der Stadtpfarrkirche
Friedberg Warum ist Carl Heinrich Grauns „Tod Jesu“so gründlich vergessen worden? Wer dieses Werk in der Einstudierung mit Solisten, Chor und Orchester von St. Jakob in Friedberg hört, sollte sich jeden Vergleich mit den großen Passionen Bachs verbieten. Schon rein formal ist Grauns Passionskantate ganz anders angelegt als Bachs Kompositionen nach Johannes und Matthäus, die den Evangelienbericht als roten Faden nehmen. Carl Wilhelm Ramlers Text fußt zwar auch auf biblischen Texten, verzichtet aber auf den Evangelisten als Erzähler und schildert das Passionsgeschehen in weiten Teilen in Form von betrachtender Erzählung.
Stilistisch balanciert Grauns Werk auf der Grenze zwischen Barock und Frühklassik. Dramatische Zuspitzungen oder expressive Verdichtung wie in Bachs Passionen finden sich hier kaum. Graun vertraut in weiten Teilen auf Schlichtheit des Ausdrucks, den er freilich an zentralen Stellen des Textes durchaus intensiv in Musik zu verwandeln wusste – von der Furcht Jesu im Garten Gethsemane bis zur Klage über den Kreuzestod. Das Accompagnato-Rezitativ „Er ist nicht mehr“, innigst gesungen von Matthias Lika, wird zum ausdrucksmäßigen Höhepunkt.
Mit dem Tenor Gerhard Werlitz und Bariton Lika hatte Hopmann zwei stilsichere Vokalsolisten zur Verfügung, die mit sicher geführter Stimme stets textbezogen zu gestalten wussten. Das aufmerksam musizierende Kammerorchester bot Solisten und Chor den jederzeit sicheren instrumentalen Rückhalt.
Friedbergs Kantor Moritz Hopmann dirigierte fordernd, präzise und mit Umsicht das Collegium Musicum und Chor St. Jakob. Er bewährte sich als routinierter Kirchenmusiker, der Chor und Orchester jederzeit umsichtig führte und bei Bedarf auch energische Akzente setzte, um den rhythmischen Zusammenhalt zu sichern.
Beim gut aufgestellten Chor gefielen besonders die Bassstimmen, sorgten sie doch für das nötige Fundament beim Klagen über den Tod Jesu. Lokalmatador war Bariton Matthias Lika. Dem Opernsänger aus Friedberg waren die Gesangspartien der Rezitative wie auf den Leib geschrieben. Weich und sanft im Ausdruck, beim Schmerz über den Tod Jesu die Stimme bestens nuanciert, war die Arie im Dialog mit dem Kontrabassisten einer der besonderen Höhepunkte. Die Zwischenspiele von Orchester und Chor wurden dynamisch vorgetragen.
Dem Bariton war als Bass nicht nur das Rezitativ und Accompagnement vorbehalten, sondern auch das grandiose Finale mit Chor, Orchester und dem mitreißenden Bass-Solo. Im Duett mit Tenor Gerhard Werlitz überzeugte Sopranistin Anneken Haschke. Alles in allem eine in Teilen ungewöhnlich fröhliche Musik, die neben dem leidenden Jesus auch stets den auferstandenen Christus im Blick hat.