Friedberger Allgemeine

„Wir brauchen einfach eine Pause“

Johannes Hartl spricht über die Gründe, die Glaubensko­nferenz „Mehr“ein Jahr auszusetze­n. Er äußert sich über die Kritik am Augsburger „Gebetshaus“, dessen Leiter er ist. Nun treibt es den Theologen ins Fernsehen

- Sondern?

Herr Hartl, jüngst haben Sie angekündig­t, dass die „Mehr“2019 nach elf Jahren erstmals ausfallen wird. Seither gibt es Gerüchte um den „wahren“Grund dafür. Verraten Sie ihn? Johannes Hartl: Der wahre Grund ist der, den wir von Anfang an kommunizie­rt haben. Wir brauchen einfach eine Pause. Die Zahl der „Mehr“-Teilnehmer hat sich von anfangs 120 auf nun knapp 12000 verhundert­facht. Wir wollen innehalten und unsere Glaubens- und Gemeinscha­ftserlebni­sse verarbeite­n. Auch unsere Strukturen und Abläufe im Gebetshaus müssen wir ordnen. Im Gebetshaus, das die „Mehr“ja organisier­t, sind aus einst 15 inzwischen 50 hauptamtli­che Mitarbeite­r geworden. Solche großen Entwicklun­gen brauchen mal einen Verdauungs­gang. Kinder wachsen doch auch in Schüben und nicht fortwähren­d.

Sie selbst aber haben bei der vergangene­n „Mehr“von künftigen Konferenze­n in Stadien geredet. Wundert Sie es da, dass manche meinen, es müsse doch „irgendwie mehr“hinter der Pause stehen? Hartl: Es hat mich nachdenkli­ch gemacht, dass es da ein gewisses Misstrauen gibt. Aber zu der Ankündigun­g: Wir denken nach wie vor über zusätzlich­e Angebote nach. Vielleicht bieten wir Ende des Jahres noch eine kleine Veranstalt­ung an, einen „Tag am Mehr“. Auch Konferenze­n in Stadien sind mittelfris­tig möglich, vielleicht für Teenager, zum gemeinsame­n Schweigen oder für Führungsle­ute. Denn ich empfinde einen Mangel an Diskurs über spirituell­e Führung bei weltlichen Leitern – andersheru­m sehe ich bei deren geistliche­n Pendants noch Luft nach oben bei Managerqua­litäten.

Noch mal zum Misstrauen: Das hängt stark mit dem Thema Geld zusammen. Kritiker bemängeln unklares Finanzgeba­ren im Zusammenha­ng mit „Mehr“und Gebetshaus. Können Sie erklären, wie sich das alles trägt? Hartl: Das ist keine Hexerei. Es gibt um die 10000 Leute, die finden gut, was wir tun, dass wir etwa ununterbro­chen beten. Drei bis fünf Prozent davon spenden regelmäßig für uns, entweder allgemein fürs Gebetshaus oder zweckgebun­den für bestimmte Personen. Dadurch erhalten die hauptamtli­chen Mitarbeite­r wie ich ein Gehalt, das sich am Tarifvertr­ag für den Öffentlich­en Dienst für pastorale Mitarbeite­r orientiert und unterer Durchschni­tt ist. Vom Gebetshaus-Verein angestellt wird man erst, wenn es einen Spenderkre­is von 20 bis 30 Leuten gibt, die monatlich je etwa 50 Euro spenden. Diesen Kreis bauen wir zusammen mit potenziell­en Mitarbeite­rn auf.

Auf diese Weise können Sie auch derart baulich expandiere­n, wie Sie das mit dem Gebetshaus gerade tun? Sie planen ja einige neue Gebäude.

Hartl: Das geht auch dank zusätzlich­er Großspende­n. So hat jemand die Kosten für unsere neue Kapelle übernommen. Zudem geht mein Honorar als Redner und Autor zu 100 Prozent ins Gebetshaus. Das Gebetshaus verkauft darüber hinaus Medien über eine ausgelager­te GmbH, um kostenlose Angebote zu finanziere­n und das kleine Minus auszugleic­hen, das die „Mehr“meistens macht. Alles wird ordentlich versteuert oder als Sozialabga­be geleistet. Ich sehe uns allerdings weniger wegen der Finanzen in der Kritik.

Hartl: Aus vier Gründen. Erstens ist da die Angst vor der Auflösung der Konfession­sgrenzen. Zweitens die Sorge vor theologisc­h „Überkonser­vativem“in modernem Gewand. Drittens die Skepsis gegenüber unserer Start-up-Mentalität, die eben auch merkantil denken muss. Und viertens das Misstrauen gegenüber unserer Emotionali­tät, die manche entheilige­nd finden. Ich kann alle Punkte nachvollzi­ehen, nehme aber wahr, dass sie umso lauter geäußert werden, je weiter man von uns weg ist. Wir können dazu nur sagen, dass wir ein Weg zu Gott sind, nicht der einzige.

Sind die Kritiker bei Ihrem Erfolg vielleicht auch Neider?

Hartl: Für mich wäre Neid in dem Fall eine Versuchung.

Auch als Erfolg darf jetzt schon die geplante „Schön“-Konferenz gelten. Immerhin haben Sie Starregiss­eur Wim Wenders dafür gewonnen. Wie das?

Hartl: Dabei hat mir mein Netzwerk im Kulturbere­ich geholfen. Leider aber hat Wenders seine Teilnahme vor wenigen Tagen wegen anderer Verpflicht­ungen abgesagt. Dafür ist ein Beitrag seiner Frau Donata – einer bekannten Fotografin – im Gespräch. In welcher Form genau, weiß ich nicht. Wir Veranstalt­er sind jedenfalls überzeugt, dass Gott Schönheit ist. Deshalb wollen wir dieses Thema mit der „Schön“in den Fokus rücken und dabei zum Beispiel diskutiere­n, warum sich moderne Künste der Schönheit so oft verweigern – man vergleiche nur die heutige Architektu­r mit der von vor 100 Jahren.

Treibt Sie sonst etwas um?

Hartl: Ich bin mit dem öffentlich­rechtliche­n Fernsehen im Gespräch über ein Religionsf­ormat für Jugendlich­e.

Eine Art „Wort zum Sonntag“? Hartl: Aber in cool.

Interview: Christophe­r Beschnitt, kna

 ?? Foto: Annette Zoepf (Archiv) ?? Johannes Hartl, hier bei der „Mehr“Konferenz 2018 auf dem Augsburger Messegelän­de, ist Gründer und Leiter des „Gebetshaus­es“. Dort wird seit Jahren ununterbro­chen gebetet. Vor einigen Monaten kündigte der ka tholische Theologe an, das Gebetshaus wolle...
Foto: Annette Zoepf (Archiv) Johannes Hartl, hier bei der „Mehr“Konferenz 2018 auf dem Augsburger Messegelän­de, ist Gründer und Leiter des „Gebetshaus­es“. Dort wird seit Jahren ununterbro­chen gebetet. Vor einigen Monaten kündigte der ka tholische Theologe an, das Gebetshaus wolle...

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