Friedberger Allgemeine

Randale im Sozialamt: Bewährungs­strafe

Ein Asylbewerb­er wollte Geld statt Lebensmitt­elgutschei­ne. Als er es nicht erhielt, rastete er aus und verletzte drei Polizisten. Auch seine Ehefrau ist nun vom Amtsgerich­t verurteilt worden

- VON KLAUS UTZNI VON SVEN KÜLPMANN

Es gibt Amtsstuben wie etwa im Standesamt, aus denen die Kunden eher mit einem glückliche­n Lächeln im Gesicht wieder nach Hause gehen. Beim Sozialamt ist das häufig anders. Hier sind Konflikte oft programmie­rt.

Wie Ende Oktober 2017, als ein nigerianis­ches Ehepaar mit einem drei Monate alten Baby dort vorsprach, um Geld statt Lebensmitt­elGutschei­ne zu erhalten. Das Geschehen eskalierte derart, dass die Polizei gerufen wurde. Acht Beamte waren notwendig, um das sich mit allen Mitteln wehrende Paar zu überwältig­en. Drei Polizisten erlitten dabei Verletzung­en.

Gestern standen der Ehemann, 33, und seine Frau, 30, vor Gericht. Der abgelehnte Asylbewerb­er hatte

ROT GILT AUCH FÜR RADFAHRER!“schreit eine Stimme aus dem Auto neben mir rüber, während wir beide auf Grün warten. Kurz bin ich verwirrt. Ich muss meinen Weg aber nicht weit rekonstrui­eren, um zu verstehen, dass er die Ampel vor 50 Metern meint, wo es von der Neuburger Straße rechts in die Schillstra­ße geht. Ich lächle, denn ich kenne sein Problem: Es ist eines dieser verwirrend­en Nebenprodu­kte einer hastigen Umsetzung der Novelle der Straßenver­kehrsordnu­ng vom Januar 2016.

Es ist eine meiner Lieblingsa­mpeln. Denn ich darf dort über Rot fahren. Ganz legal. Sie lesen richtig. Da ich annehme, dass Sie das nun für einen Aprilscher­z halten, hole ich gern aus: An dieser Stelle der Neuburger Straße fahre ich legal auf der Fahrbahn stadteinwä­rts. Nach der Einmündung der Schillstra­ße wird der Gehweg zur freiwillig­en Benutzung für den Radverkehr freigegebe­n. Wenn man dieses Angebot wahrnehmen möchte, so soll man in der Vorstellun­g des Verkehrspl­aners dies auch schon beim Queren der Schillstra­ße tun und die Fußgängerf­urt benutzen. Und genau hierbei gilt dann diese Ampel. Aber ich fahre ja auf der Fahrbahn, nutze die Fußgänger-/Radfahrer-Furt nicht und somit gilt für mich auch die Ampel für den Allgemeinv­erkehr. Ich weiß das. Der Anfang Oktober bei Amazon in Graben einen Job gefunden. Sein Problem: Der Lohn sollte erst am 15. November ausbezahlt werden. Das Paar brauchte Geld – der Ehemann, um sich ein Zugticket für die Fahrt zur Arbeit zu kaufen. Beim Sozialamt an der Stadtmetzg allerdings wollte man dem Paar, wie in solchen Fällen wohl üblich, lediglich Gutscheine für Lebensmitt­el geben.

Als die Diskussion immer heftiger wurde, übergab man dem kaum Deutsch sprechende­n Paar ein schriftlic­hes Hausverbot. Weil es nicht gehen wollte, rief man die Polizei. Es kam zu einer wilden Auseinande­rsetzung. Der Ehemann biss unter anderem einem Beamten in die Finger, ein zweiter erlitt einen Bruch seines Mittelhand­knochens, war sechs Wochen dienstunfä­hig.

Die Ehefrau soll bei dem Widerstand ihr Baby wie ein Schutzschi­ld vor sich gehalten haben, was sie jetzt allerdings im Prozess vor Amtsrichte­rin Susanne Scheiwille­r bestritt. Ansonsten räumte sie über ihren Anwalt Thomas Kaupa alle Vorwürfe der Anklage ein, wie auch Verteidige­r Ralf Schönauer, der im Namen des angeklagte­n Familienva­ters das Geschehen bedauerte und um Entschuldi­gung bat. Angst und Panik seines Mandanten hätten zu der gewalttäti­gen Eskalation geführt.

Richterin Scheiwille­r verurteilt­e das Paar wegen Widerstand­s und Körperverl­etzung, den Ehemann zu einer Bewährungs­strafe von acht Monaten, die Frau zu einer Geldstrafe von 800 Euro (80 Tagessätze zu je zehn Euro). Der Haftbefehl gegen den Mann, der fünf Monate in Untersuchu­ngshaft saß, wurde aufgehoben. Dem am schwersten verletzten Polizisten sprach das Gericht ein Schmerzens­geld von 2000 Euro zu. Die Richterin kritisiert­e in der Urteilsbeg­ründung die „tief greifende Respektlos­igkeit“der Angeklagte­n, deren Anspruchsv­erhalten zu der Auseinande­rsetzung geführt habe. Dabei sei auch das Baby einer Gefahr ausgesetzt gewesen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräf­tig.

Wie berichtet, hatte die Stadt den Vorfall zum Anlass genommen, neue Sicherheit­svorkehrun­gen im Sozialamt einzuführe­n. Seit November patrouilli­eren zwei Mitarbeite­r einer privaten Sicherheit­sfirma in dem Gebäude, in dem auf drei Etagen etwa 100 Menschen arbeiten.

Der Security-Dienst ist vor allem in den Bereichen unterwegs, in denen die Behördenmi­tarbeiter persönlich in Kontakt mit Bürgern sind.

Die private Sicherheit­sfirma ist vorerst noch bis Ende Mai engagiert. Parallel dazu ist die Stadt dabei, ein Sicherheit­skonzept auch für andere Dienststel­len zu erarbeiten.

So werden unter anderem jene Stellen überprüft, die einem speziellen Kontakt mit Bürgern ausgesetzt sind, wozu neben dem Sozialamt auch das Familienam­t, der Verkehrsüb­erwachungs­dienst und die Bürgerbüro­s zählen.

Zunächst gab es ein schriftlic­hes Hausverbot

Auch das Baby war einer Gefahr ausgesetzt

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Foto: Annette Zoepf Seit ein Ehepaar aus Frust im Sozialamt randaliert­e, hat die Stadt dort Sicherheit­sleute im Einsatz. Sie sollen vorerst noch bis Mai überwachen, dass es nicht zu Auseinande­rsetzungen zwischen Besuchern und Mitar beitern kommt. Im Fall des Ausrasters...
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