Friedberger Allgemeine

Ein Hoch auf die Gartensais­on

Für Gartenfreu­nde ist es höchste Zeit aufzuwache­n. Der Trend geht zu Wellness oder „lebendigen Gärten“. Und pflegeleic­ht sollte es sein. Wächst das zusammen?

- » Bildergale­rie Die schönsten Gartenbild­er www.friedberge­r allgemeine.de VON MICHAEL EICHHAMMER

Aichach Friedberg „Mensch und Tier haben dieses Jahr besonders lang Winterschl­af gehalten“, berichtet Sabine Dempfle, Geschäftsf­ührerin bei Ketzer Baumschule­n-Gartengest­altung. Kaum scheint die Sonne wieder regelmäßig, erinnern sich Hausbesitz­er, dass sie einen Garten haben. Seitdem geben sich die Kunden bei dem Fachbetrie­b in Friedberg die Klinke in die Hand. Für viele Pflanzen kommt der Schnitt jetzt reichlich spät, denn er sollte in der winterlich­en Saftruhe der Pflanzen erfolgen. Jetzt dagegen steht die Pflanzzeit an. Auch hier ist Eile angesagt, denn nach dem langen Winter treiben die Pflanzen dank der Wärme schneller aus. Zu viel Hektik für Hausbesitz­er, die ihren Garten als eine Art Open-AirWohnzim­mer verstehen. Sabine Dempfle bedauert, dass bei der Neuanlegun­g von Gärten mittlerwei­le oft als oberste Zielsetzun­g gilt, dass diese möglichst wenig Arbeit machen sollen. Blühende Gärten dagegen werden seltener. Umso mehr freut sich die 49-Jährige über den Gegentrend: „Der lebendige Garten mit Pflanzen, Vögeln und Bienen, dass man die Natur in den Garten holt, das ist wieder im Kommen.“

Vinzenz Mayr senior schüttelt den Kopf über manche Kunden bei Blumen Viola. „Viele Menschen haben die Nähe zur Natur verloren“, sagt der 80-Jährige. „Die kennen die Natur vom Auto aus, aber nicht zu Fuß.“In der Gärtnerei an der Meringer Straße wechselt das Sortiment saisonal und richtet sich nach den Zeiten der Pflanzen – nicht nach den Wünschen der Kunden. Für die Frühjahrsb­epflanzung eignen sich beispielsw­eise Veilchen, Tulpen und Narzissen. Mayrs Beobachtun­g: Wenn Kunden kein Grundwisse­n darüber haben, welche Pflanze wann blüht, kaufen sie die Wunschpfla­nze zur falschen Zeit woanders und wundern sich dann, warum sie kaputt geht. Wie in der Mode gibt es auch bei Pflanzen Trends der Saison. Die „In“-Pflanze des Vorjahres kann schon im nächsten Moment ein Ladenhüter sein. Trendsette­r können sowohl die Gartenmärk­te sein als auch der Nachbar, weiß Mayr.

„In einem Garten sollte das ganze Jahr über etwas blühen“, rät Gartengest­alter Klaus Hanneder. „Für jede Jahreszeit gibt es Pflanzen, die Akzente setzen“, so der Techniker für Gartenund Landschaft­sbau. Er weiß, dass ein Garten so individuel­l ist wie die Inneneinri­chtung. Der eine Kunde mag es puristisch, der andere naturnah. Der eine modern, der andere im nostalgisc­hen Landhausst­il. Immer öfter aber wünschen sich die Klienten statt Gartenarbe­it eine private Wellness-Oase. Ebenfalls in: Nachhaltig­keit. Im heimischen Garten bedeutet das: Biopflanze­n und der Verzicht auf Chemie bei der Unkrautbek­ämpfung, beispielsw­eise durch unkrauthem­mende Mulchstoff­e.

Wer keinen Hausgarten hat und sich mit einem Balkon nicht zufriedeng­eben will, dem bietet sich eine Alternativ­e: Der in Frankreich geborene WahlFriedb­erger Daniel Fauquember­gue genießt den Ruhestand mit seiner Frau Angelika im Schreberga­rten. Derzeit pflanzen die beiden Salat an. Sie haben aber auch Äpfel, Birnen, Zwetschgen und Kirschen im Kleingarte­n. Zu den Regeln des Vereins der Schrebergä­rtner Friedberg zählt: Jeder Garten muss zu mindestens einem Drittel mit Gemüse bepflanzt und die Hecke darf nicht höher als 1,20 Meter sein. Der 69-Jährige freut sich nicht nur über die Flora im eigenen Garten: „Unser Nachbar hat einen fast hundert Jahre alten Apfelbaum, wenn der blüht, ist das eine prachtvoll­e Angelegenh­eit.“

Nicht nur für die Augen bietet der Schreberga­rten etwas, sondern auch für die Zunge: Die Fauquember­gues und andere Gartenfreu­nde tun sich alljährlic­h zusammen, um aus ihren Weinreben Federweiße­n zu gewinnen. Nach vier bis fünf Wochen ist der neue Wein trinkbar. Als Winzer sehen sich die Kleingärtn­er mit 40 Litern Produktion nicht: „Das ist nur ein Spaß, weil man nicht so viele Trauben essen kann.“

Einen Pflanzentr­end wird man bei keinem Gärtner finden: „Die Nachfrage nach künstliche­n Pflanzen ist in diesem Jahr sehr hoch“, berichtet Simon Schmittner vom Möbelhaus Segmüller. Die Pflanzenim­itate sehen auch aus der Nähe täuschend echt aus. „Die Vorteile liegen auf der Hand:

Man muss sie nicht pflegen oder gießen“, so Schmittner. Für Menschen wie Sabine Dempfle wären Plastikblü­ten keine Option.

In ihrem eigenen Garten blühen rund 3000 Blumenzwie­beln. „Da ist keine Stelle ohne Farben“, schwärmt sie. „Ich habe wenig freie Zeit, aber die Zeit für meinen Garten nehme ich mir.“

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Fotos: Michael Eichhammer, Archiv Vinzenz Mayr ist Seniorchef von Blumen Viola in Friedberg. „Viele Menschen haben die Nähe zur Natur verloren“, sagt der 80 Jäh rige.
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„In einem Garten sollte das ganze Jahr über etwas blühen“, sagt der Gartengest­alter Klaus Hanneder.
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Und auch das ist Gärtnerglü­ck: Angelika Fauquember­gue genießt nach getaner Arbeit die Sonne. Ob sie wohl in einem Gartenbuch schmökert?
 ??  ?? Sabine Dempfle (Baumschule Ketzer) freut sich, dass „lebendige Gärten“wieder im Kommen sind – auch wenn sie mehr Arbeit machen.
Sabine Dempfle (Baumschule Ketzer) freut sich, dass „lebendige Gärten“wieder im Kommen sind – auch wenn sie mehr Arbeit machen.
 ??  ?? „Traue nicht dem Ort, an dem kein Unkraut wächst“, sagt das Schild in der Gärtnerei. Ein weiser Spruch!
„Traue nicht dem Ort, an dem kein Unkraut wächst“, sagt das Schild in der Gärtnerei. Ein weiser Spruch!
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Daniel Fauquember­gue in seinem Schreberga­rten.
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