Die Frage der Woche Männer unter Generalverdacht – übertreibt die „#MeToo“-Debatte?
Es wäre ein Leichtes, in Zitaten zu zeigen, welch maximal umfassende und gröbstens verallgemeinernde Verurteilung auf „die Männer“einprasselt seit den bestürzenden Enthüllungen der Übergriffe einiger Männer. Grundtenor: „Der Mann“und das „männliche Prinzip“sind verantwortlich und nun endlich anzuklagen für die Kriege der Welt, für Ausbeutung, Unterdrückung, Bankencrash… – historisch und strukturell für Macht und Missbrauch. Im internationalen Feminismus ist die Rede von „toxic masculinity“, also dem Gift der Männlichkeit, das auch Familien zersetze: Gefühle und Schwächen verbergen, nur Stärke zeigen, Frauen zum Objekt von Lust, Untergebene zum Objekt der Macht erniedrigen, keine offenen Gespräche, in der Familie Oberhaupt und Versorger, gegenüber den Kindern unnahbar… In Männerbünden verknüpft tyrannisiere dieses Gift unsere Gesellschaft und die Welt. Und so. Falls Sie sich nun wundern, weil Ihnen das in der Kneipe in Neuburg oder beim Bäcker in Weiler keiner so gesagt hat: Es geht hier um die Dominanz im öffentlichen Diskurs, der in Feuilletons, Büchern und auf Internetplattformen stattfindet, wo eine Gesellschaft Tendenzen in Politik, Wirtschaft und Kultur eben reflektiert.
Aber wie weit zu weit die Männlichkeitskritik bei allem nötigen aufklärerischen Impetus da geht, haben ja bereits vor Monaten Frauen um Catherine Deneuve per Einspruch markiert. Gegen den Denunziationskult im Klima eines Generalverdachts. Du bist als Mann schuld, auch wenn du kein Täter bist, denn du gehörst zum herrschenden Testosteron-System – diese Zuspitzung stilisiert mehr Gegeneinander der Geschlechter, als es tatsächlich gibt. Und provoziert damit wiederum genau ein giftiges Gegeneinander. Nicht gut.
So weinerlich kennt man sie sonst gar nicht. Doch die „#MeToo“-Unerbittlichkeit, mit der Frauen jetzt klar benennen, was alles passiert ist und was immer noch geschieht, lässt sie aufheulen, die Männer. Warum denn so unversöhnlich, ihr Frauen, fragen sie. Und: Wir sind doch ganz auf eurer Seite, wenn es gegen die Belästiger, Grenzüberschreiter, Übergriffigen, gegen die geilen Böcke geht! Aber dieses Misstrauen gegen alle Männer, diese Atmosphäre der Verdächtigungen, die Überempfindlichkeit, diese Radikalität – das geht doch zu weit, das führt doch in einen unfruchtbaren Geschlechterkampf und vergiftet mit Unterstellungen den Alltag … Wir sind anders!
Kann man so sehen, ist aber falsch. Erstens übertüncht die „Einzellfall“-Betrachtung strukturelle Probleme zwischen Frauen und Männern wie Macht- und Abhängigkeitsverhältnisse. Was die „#MeToo“-Bewegung erreicht hat, hat sie nicht durch Relativieren erreicht oder defensives Differenzieren. Dass jetzt überall mit Sensibilität – und ja: Überempfindlichkeit – hingesehen wird, muss sein. „#MeToo“hat viel unsichtbaren, ignorierten, verschwiegenen, platten wie perfiden Sexismus gleichsam eingefärbt und dadurch wahrnehmbar gemacht. Übertreibungen, ja Verirrungen – Stichwort GomringerGedicht – mag es geben. Und? Auch die Französische Revolution kannte Übertreibungen und Gnadenlosigkeiten. Ihre Anliegen können sich aber schon sehen lassen, sie sind der Kern unseres freien, selbstbestimmten Lebens.
Dass Frauen sich jetzt nicht gönnerhaft umarmen, ermahnen, anleiten und beschwichtigen lassen wollen, muss Männer nicht verbittern. Das Misstrauen müssen sie mannhaft aushalten. Das geht auch, ohne sich gleich als Opfer zu betrachten.