Es sterben weniger Menschen an Drogen
Im vergangenen Jahr sind im Großraum Augsburg 27 Frauen und Männer an den Folgen ihrer Rauschgiftsucht gestorben. 2016 waren es noch 42 gewesen. Fachleute sehen dennoch keinen Grund zur Entwarnung
Sie sterben oft einen einsamen Tod. Alleine in ihrer Wohnung, manchmal tagelang unentdeckt. Das Schicksal von Menschen, die durch den Konsum illegaler Rauschgifte sterben, rückt selten in den Blickpunkt der Öffentlichkeit. An einem Ort in der Stadt allerdings wird an sie erinnert: Vor dem Kontaktladen der Drogenhilfe in der Innenstadt liegen Kieselsteine mit den Namen der Verstorbenen, die in der Statistik der Polizei als Drogentote oder Rauschgift-Todesfälle auftauchen.
2016 waren in Augsburg und Umgebung so viele Menschen an den Folgen ihres Drogenkonsums gestorben wie seit fast 20 Jahren nicht mehr. 42 Drogentote hatte das Polizeipräsidium Schwaben Nord – zuständig vom Großraum Augsburg bis ins Ries – für das Jahr vermerkt. Ein Jahr später ist die Zahl plötzlich deutlich geringer. 27 Menschen sind im Lauf des Jahres 2017 an den Folgen des Konsums illegaler Drogen gestorben. Ein massiver Rückgang – auch in Augsburg, wo stets die meis- Opfer zu verzeichnen sind: 15 Drogentote waren es hier, im Vergleich zu 25 im Vorjahr. Sozialarbeiter und Polizei sind trotz des Rückgangs skeptisch, dass es sich um eine dauerhafte Entwicklung handelt.
Zum einen liegen die 27 Fälle noch über dem Durchschnitt der vergangenen zehn Jahre von 25 Verstorbenen; es gab auch Jahre mit nur 15 Toten im Präsidiumsbereich. Zum anderen, sagte Leitender Kriminaldirektor Marco Böck, müsse sich aus dem Rückgang noch nicht unbedingt eine langfristige Tendenz ergeben. Die Zahl sei schwierig zu bewerten. Möglicherweise, so sehen es die Ermittler, ist es einfach eine eher zufällige Wellenbewegung. Auch die Problematik der synthetischen Drogen ist nicht aus der Welt.
Sogenannte neue psychoaktive Substanzen, die Namen wie „Badesalze“oder „Kräutermischungen“tragen, machen Fahndern und Helfern Sorgen. Dass die Zahl der Drogentoten zuletzt nach oben gegangen war, führte die Polizei auch auf den vermehrten Konsum von Kräutermischungen zurück. Sie werden oft als legale Alternative zu illegalen Rauschmitteln vermarktet. Bei einem erheblichen Teil der Verstorbenen seien solche Stoffe nachgewiesen worden, hieß es zuletzt.
Ein Gesetz, das ganze Stoffgruppen verbietet statt wie zuvor einzelne chemische Verbindungen, hat daran offenbar wenig geändert. Damit hatten die Behörden darauf reagieren wollen, dass die Hersteller die chemische Struktur der synthetischen Drogen ständig verändern.
Auch die Leiterin der Drogenhilten fe Schwaben, Gerlinde Mair, sieht noch keinen Durchbruch. Eine Erleichterung, sagt Mair, habe man eigentlich nicht feststellen können. Man betreue ähnlich viele Menschen wie in der jüngeren Vergangenheit, rund 2500. Die Situation sei unverändert schwierig. 600 dieser Menschen seien über 45 Jahre alt und oft seit Jahrzehnten abhängig. Es sei auch vieles eine Definitionsfrage. Wenn Abhängige nach langer Drogensucht an einem Herzinfarkt sterben, tauchten sie in der Statistik nicht unbedingt auf, auch wenn ihr Tod wohl auf körperliche Schäden durch den Rauschgiftkonsum zurückzuführen sei, sagt Mair. Im vergangenen Jahr habe man mehrere solcher Fälle gehabt. Grundsätzlich sind unter den Drogentoten vor allem Männer, die seit Jahrzehnten und häufig diverse Rauschmittel konsumieren. 2017 waren 24 der 27 Drogentoten im Bereich des Polizeipräsidiums männlich.
Ein Treffpunkt der Drogenszene in Augsburg ist der Bahnhofsvorplatz in Oberhausen. Dort soll bald eine Anlaufstelle für Süchtige eingerichtet werden. Mitarbeiter der Drogenhilfe und des katholischen Sozialverbands SKM werden sich um die Abhängigen kümmern. Seit Mitte Februar zahlt die Stadt Miete für die Räume in der Branderstraße; der Betrieb läuft noch nicht. Dies werde noch einige Wochen dauern, sagte Ordnungsreferent Dirk Wurm (SPD) Mitte März. Gerlinde Mair von der Drogenhilfe hofft, dass es im Mai losgeht. Man habe auch schon Mitarbeiter, die im Treff arbeiten wollen.