Merkels drohender Gastgeber
Der Besuch der Kanzlerin bei Trump läuft sachlich ab – bis der Präsident wieder aus der Rolle fällt
Washington Immerhin: Das mit der Begrüßung hat dieses Mal unfallfrei geklappt. Es ist kurz vor zwölf Uhr mittags, als Donald Trump die deutsche Kanzlerin bei Nieselregen vor dem Westwing des Weißen Hauses begrüßt. Küsschen rechts, Küsschen links. Kurz darauf im Oval Office gratuliert der US-Präsident dem Gast im mittelblauen Blazer noch einmal förmlich zur Wiederwahl: Ich hatte nie einen Zweifel, dass Sie gewinnen würden, sagt Trump und schüttelt demonstrativ die Hand von Angela Merkel. Keine Spur von der Verspanntheit 2017, als die beiden so unterschiedlichen Politiker schon bei der Begrüßung nicht zusammenkamen.
Diesmal also kein schlechter Auftakt für einen schwierigen Besuch, den man in Merkels Umfeld vorsichtshalber zum nüchternen Arbeitstreffen herunterdeklariert hatte. Vor einem Jahr noch war Merkel in US-Medien als Führerin der freien Welt begrüßt worden. Diese Rolle hat längst der französische Präsident Macron übernommen, der gerade drei glamouröse Tage mit Trump verbrachte. Für Merkel sind magere zweieinhalb Stunden im Weißen Haus vorgesehen. Natürlich hat die protestantisch-nüchterne Kanzlerin verlauten lassen, dass ihr Pomp und Schmeicheleien ohnehin fremd sind.
Am Vorabend nach der Landung war sie mit einem guten Dutzend Mitarbeitern und Sicherheitskräften zu Fuß in ein Restaurant im Stadtteil Georgetown marschiert und aß einen Cheeseburger mit Speck und Pommes frites. Als sie das Lokal eine Stunde später verließ, lauerten schaulustige Passanten und Repor- ter neben den gepanzerten Limousinen vor der Tür. Merkel schlug einen Haken und stürmte zu Fuß zurück in ihre Herberge.
Die Rolle, die ihr im Gespann mit dem Charmeur Macron zukommt, blieb undankbar: Sie ist die Ausputzerin, die letzte Hoffnung vor den für den 1. Mai angekündigten Strafzöllen auf europäischen Stahl und dem am 12. Mai drohenden Ausstieg der USA aus dem Atomabkommen mit dem Iran. Als Merkel und Trump nach einem halbstündigen Vieraugengespräch und einem Mittagessen inklusive Begleiter am Nachmittag vor die Presse traten, schienen diese Themen zunächst zweitrangig. Die Nachricht des Tages kam aus dem fernen Panmunjom, wo der nordkoreanische Machthaber Kim Jong Un ein neues Kapitel in den Beziehungen zu Südkorea und die vollständige nukleare Abrüstung ankündigte. Maximaler Druck hat uns geholfen, dieses Ziel zu erreichen, lobt der US-Präsident sich selbst. Der koreanische Krieg endet, twitterte er in Großbuchstaben. Er ist überzeugt, dass seine apokalyptischen Drohungen mit Feuer und Wut den kleinen Raketenmann in Pjöngjang weichgeklopft haben. Und Merkel bestätigt dies.
Viel spricht dafür, dass Trump glaubt, nun auch im Iran und im internationalen Handel mit einer ähnlichen Taktik die besten Ergebnisse erzielen zu können. Damit ist Merkels Mission noch schwieriger geworden. Vorsichtshalber haben Macron und Merkel ohnehin die Erwartungen deutlich heruntergeschraubt. Er rechne mit der Aufkündigung des Iran-Abkommens durch die USA, erklärte der französische Präsident kurz vor seinem Abflug in Washington. Und ein Berater der Kanzlerin räumte ein: Aus heutiger Sicht muss man davon ausgehen, dass die Zölle am 1. Mai kommen. Konkretes zu den beiden Streitfragen lassen sich die Regierungschefs in Washington nicht entlocken. Der Präsident wird entscheiden, sagt Merkel auf eine Frage zu den drohenden Strafzöllen bloß.
Trump betont erneut, dass Europa einen schlimmen Überschuss im Handel habe und der Austausch fair sein müsse. Er verrät aber nicht, was er zu tun gedenkt. Auf eine Frage nach dem Iran-Abkommen antwortet er nur, Teheran solle sich besser vorsehen und keine Atombomben entwickeln – eine unausgesprochene Drohung. Insgesamt verläuft die Pressekonferenz betont freundlich, wenn auch nicht immer ganz harmonisch: Als Trump nach einer Viertelstunde der Zurückhaltung aus der Rolle des Staatsmanns fällt, um seine üblichen Tiraden gegen innenpolitische Kritiker und Gegner abzulassen, schaut Merkel immer wieder in ihr Manuskript oder zur Seite. „Das ist der Washingtoner Sumpf“, wettert Trump, „Sie kennen das nicht, Angela.“Mühevoll beherrscht die Kanzlerin ihre Gesichtszüge.
Eigentlich hätte die Pressekonferenz im Rosengarten stattfinden sollen. Doch schlechtes Wetter erzwang eine Verlegung ins Weiße Haus, wo Trump und Merkel schon beim ersten Besuch der Kanzlerin vor 13 Monaten standen und der US-Präsident die Besucherin mit der vermeintlich lustigen Bemerkung, sie seien beide von Obama abgehört worden, brüskierte.
Dieses Mal hat der Poltergeist eine andere Überraschung vorbereitet: Nach monatelanger Hängepartie ist sein neuer Botschafter in Berlin, Richard Grenell, endlich vom Senat bestätigt worden. Der 51-Jährige hatte kürzlich moniert, dass Deutschland sich nicht am Militärschlag gegen Syrien beteiligte. Merkel freut sich über den neuen Botschafter dennoch tapfer.