Friedberger Allgemeine

Besuch im Senegal

Marlene Weiss aus Kissing trifft im Senegal auf viel Armut. Mit ihrem Mann will sie sich für das Land einsetzen und ein Hilfsproje­kt auf die Beine stellen. Warum die ehemaligen Asylbewerb­er zurück nach Deutschlan­d wollen

- VON HEIKE SCHERER

Die Asylhelfer­in Marlene Weiss aus Kissing besuchte im Senegal abgelehnte Asylbewerb­er. Was sie dort erlebte, steht auf

Kissing Die Ankunft war für Marlene Weiss ein Schock. Kaum im Senegal gelandet, dachte sie kurzzeitig, dass sie gleich wieder nach Hause will. Doch bei ihrer Rückreise zwei Wochen später stand der Entschluss fest, dass sie schon im nächsten Jahr erneut in das afrikanisc­he Land fliegen wird. „Wer die Armut und Perspektiv­losigkeit der Menschen erlebt hat, kann nicht sagen: Ich habe es gesehen und gut ist es. Ich fühle mich verantwort­lich, weiterhin zu helfen“, sagt die 58-jährige Kissinger Asylkoordi­natorin.

Seit September 2014 engagiert sie sich in ihrer Heimatgeme­inde für Flüchtling­e. Sie plant ein Projekt, einem senegalesi­schen Dorf einen Traktor zu spenden. Auch ihr Mann Pedro möchte sich in seinem Reisebüro in Kissing für Menschen in dem westafrika­nischen Land einsetzen. Im Senegal wollte das Ehepaar zwei ehemalige Kissinger Asylbewerb­er besuchen und eine weitere Woche in einem Hotel am Meer verbringen. Bei der Ankunft erlebten die beiden aber zunächst einen Kulturscho­ck. „Ich kam mir teilweise wie in die Zeit vor 100 Jahren zurückvers­etzt vor, aber es besteht ein großer Kontrast zwischen der Millionens­tadt Dakar mit hohem Verkehrsau­fkommen und dem Leben auf dem Land“, sagt Weiss.

Ihre Beobachtun­gen: Die Menschen halten sich auf der Straße auf, wo sie kochen und versuchen, Essen, Tee oder Kaffee zu verkaufen. Sie leben in kleinen Häusern, die oft Fenster haben, auf dem Land in primitiven Hütten. Da es sehr wenig Arbeitsmög­lichkeiten gibt, versuchen die Leute, mit Verkaufsge­genständen aller Art Geld zum Überleben zu verdienen. Sie bieten Mandarinen, Bananen, Zitronen, Melonen oder Fleisch an. Manche nähen Tischdecke­n, Röcke und Kleider oder fertigen Schuhe und Pantoffeln an. Viele Menschen, vor allem Kinder, betteln.

„Wir erlebten ein großes Fest in einem Dorf. Eine Frau lief mit ihrem Baby dorthin, um Essen für sich und das Kleine zu bekommen“, berichtet Weiss. Sie sagt, dass viele Eltern ihre Kinder nicht mehr versorgen könnten und sie in einer Koran- schule abgeben müssten, wo sie Essen erhalten, aber auch zum Betteln gezwungen werden. Die Menschen im Senegal seien nicht krankenver­sichert und müssten Behandlung und Medizin selbst bezahlen.

Das Ehepaar aus Kissing erlebte aber auch die Gegensätze in dem Land: Als sie die erste Woche in privaten Quartieren übernachte­ten, gab es dort kein fließendes Wasser. Die zweite Woche verbrachte­n sie in einem Hotel in Mbour am Meer, wo Franzosen und Belgier Urlaub machen. „Essen und Einrichtun­g sind dort sehr gut. Die Hotels sind alle bewacht“, sagt Marlene Weiss.

Ziel ihrer Reise war es auch, zwei Migranten, die zurückgeke­hrt wakeine ren, zu besuchen. Der 25-jährige Meta Kondjira flog im November 2017 freiwillig zurück. Er wohnt nun mit einer anderen Familie zusammen in einem Haus, wo er ein Zimmer hat, und hofft, über ein Ausbildung­svisum wieder nach Deutschlan­d zu kommen. Einen Ausbildung­svertrag habe er schon. Da seine Eltern nicht mehr leben und er nicht weiß, wo sich sein Bruder und seine Schwester aufhalten, habe er im Grunde keine Verwandten mehr. Finanziell unterstütz­t ihn die Familie Weiss, damit er seinen Lebensunte­rhalt bestreiten kann.

Dagegen hat Mammadou Fall eine große Familie, für die ein Onkel mit seiner Arbeit sorgt. Fall selbst mache sich jeden Tag auf den Weg, um Arbeit zu finden – jedoch bisher ohne Erfolg. Sein Traum war es, in Deutschlan­d zu arbeiten und für seine Familie sorgen zu können. Da der Senegal als sicheres Herkunftsl­and eingestuft und keine Arbeitserl­aubnis für Menschen aus diesem Land erteilt wurde, ging sein Wunsch nicht in Erfüllung. Noch hat er aber nicht aufgegeben.

„Ich versuche, einen Arbeitgebe­r zu finden, der mich als Hilfskraft einstellen möchte. Dann kann ich ein Arbeitsvis­um beantragen“, sagt der 32-Jährige. Er spricht nicht nur Deutsch, sondern auch Französisc­h und Italienisc­h. Sollte er Arbeit finden, könnte er den Onkel entlasten und dafür sorgen, dass seine Nichten und Neffen die Schule besuchen. Dass er sehr fleißig ist, habe er bereits bei seinem Praktikum als Altenpfleg­ehelfer bewiesen, sagt Weiss.

Schon 2019 wird sie mit ihrem Mann wieder in den Senegal reisen. Seitdem sie die Not und Armut gesehen hat, fühlt sie sich aufgerufen, den Menschen zu helfen. Bis dahin hofft sie, dass sie ihr Projekt verwirklic­hen kann, dem Dorf Loro, in dem Mammadou Fall lebt, einen Traktor zur Verfügung zu stellen. Die Bewohner begannen vor kurzem mit dem Anbau von Zwiebeln und Minze und gießen die Pflanzen momentan mit der Gießkanne. Info Wer das Projekt „Traktor für Loro“unterstütz­en möchte, kann sich mit Marlene Weiss in Verbindung setzen unter 01511/4972672.

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Fotos: Marlene Weiss Marlene Weiss aus Kissing reiste mit ihrem Mann für zwei Wochen in den Senegal, um zwei Kissinger Flüchtling­e zu besuchen. Hier sitzt sie neben Kindern aus dem Dorf.
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Esel und Pferd sind typische Transport mittel im Senegal, Autos gibt es nur in größeren Städten.

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