Neue Formen für das Haus
Während in Deutschland die Baumaterialien immer knapper wurden, erlebten die Niederlande einen architektonischen Boom. Die Künstlervereinigung „De Stijl“entwickelte, vom Kubismus beeinflusst, neue Bauweisen. In ihrem Manifest, das die Architekten um den Kunsttheoretiker Theo van Doesburg 1918 veröffentlichten, heißt es: „Der Streit des Individuellen gegen das Universelle zeigt sich sowohl in dem Weltkriege als auch in der heutigen Kunst.“Dieser „Streit“prägte ihre Architektur. In ihren Bauwerken wollten sie Gegensätze zusammenbringen. Etwa Abstraktion und Natur oder Asymmetrie und Symmetrie. Die daraus entstandenen, meist schmucklosen Formen prägen den mitteleuropäischen Baustil bis heute. Kennzeichnend dafür sind gerade Linien und würfelförmige Kubaturen. Nicht nur aus den Niederlanden stammten diese Ansätze, auch der Schweizer Architekt Charles-Édouard JeanneretGris, später als „Le Corbusier“bekannt, experimentierte mit solchen Formen.
In Deutschland regte sich ebenfalls architektonischer Erfindergeist. Aus Mangel an Material allerdings meist nur in den Köpfen. Der Architekt Bruno Taut etwa konnte zwar einem Einsatz an der Front entgehen, musste sein Können aber dennoch dem Krieg widmen. Er übernahm die Bauleitung einer Pulverfabrik in Brandenburg. Neben dieser nüchternen Arbeit lief seine Kreativität jedoch zu Hochformen auf. In den Jahren 1918 und 1919 veröffentlichte er zwei Bücher, die sich mit der Verschmelzung von Architektur und Natur beschäftigen: „Alpine Architektur“und „Auflösung der Städte“. Nach Ende des Krieges dauerte es noch einige Jahre, bis wieder annähernd ein Normalzustand in Deutschland eingekehrt ist. Doch in der Weimarer Republik erlebt die Architektur eine Blütezeit. Die Ideen, aus denen tausende Gebäude entstanden, sind meist während des Krieges ausgeklügelt worden. Bruno Taut allein schuf innerhalb von acht Jahren etwa 12 000 Wohnungen in Berlin.