Fällungen: Es gibt Ersatz, aber...
Auf dem Damm des Herrenbachs hätten aus Sicherheitsgründen nie größere Bäume stehen dürfen. Wie sie trotzdem dorthin kamen, warum sie nun wegmüssen und wie die Zukunft der Grünanlage aussehen kann
Diese Woche wurden am Herrenbach mehrere Bäume gefällt, im Herbst und im Lauf des nächsten Jahres sollen über 60 weitere folgen. Die Stadt führt den Hochwasserschutz als Argument an, viele Anwohner sind strikt gegen die Maßnahme. Die Fakten im Überblick:
Warum werden diese Bäume gefällt? Sind sie krank?
Nein, die Bäume sind laut Baureferent Gerd Merkle (CSU) „gesund und vital“. Dennoch könnten sie bei starkem Sturm umfallen und mit ihren Wurzeltellern ein Loch in den Damm reißen. Das Wasser aus dem Herrenbach – die Stadt spricht von 30 000 Kubikmetern – würde ins angrenzende Wohngebiet fließen. Können die Schütze, die den Wasserfluss vom Lech in den Herrenbach regeln, nicht rechtzeitig geschlossen werden, wäre die Wassermenge laut Auskunft des Wasserwirtschaftsamtes Donauwörth noch wesentlich größer. Der Herrenbach führt laut Stadt 20 Kubikmeter Wasser pro Sekunde, er ist einer der wasserreichsten Kanäle der Stadt. Der Lech führt aktuell 120 Kubikmeter pro Sekunde.
Welche Gebiete wären von einer Überschwemmung betroffen?
Der Wasserspiegel des Herrenbachs liegt im Bereich zwischen Friedbergerund Reichenberger Straße etwa 1,50 Meter über dem Gelände des angrenzenden Wohngebiets. Bei einem Hochwasser wären diese Häuser und die benachbarte Kleingartenanlage stark gefährdet. Das Bayerische Landesamt für Umwelt hat eine Internetseite eingerichtet, auf der zu sehen ist, wohin sich Hochwasser in Augsburg verbreiten würden. Abrufbar ist diese Information unter www.lfu.bayern.de/wasser. Von dort weiterklicken zu „Überschwemmungsgefährdete Gebiete“und dann den Kartendienst starten.
Die Standsicherheit der Bäume am Herrenbach ist laut Stadt bis Wind stärke 8 gesichert. Wie oft haben wir so starken Wind?
Von Windstärke 8 spricht man ab einer Windgeschwindigkeit von 63 Stundenkilometern. Wetter-Experte Klaus Hager hat die Statistik bemüht. Er sagt, dass es in der Region Augsburg pro Jahr durchschnittlich 18 Tage mit solch starken Winden gibt. „Es gab Jahre mit nur fünf, aber auch Jahre mit 31 solchen Ta- gen.“Auch höhere Windgeschwindigkeiten kommen in der Region zwischendurch vor. Hager erinnert an den Tornado in Aindling im Jahr 2015.
Für viele Bürger ist der Herrenbach ein Naturidyll. Warum müssen die Bäume ausgerechnet jetzt weg?
Die Stadt hat laut Umweltreferent Reiner Erben (Grüne) bereits 2011 Bäume am Herrenbach gefällt. Das Wasserwirtschaftsamt sagt, den Verantwortlichen in Augsburg sei spätestens seit dieser Zeit bekannt, dass die Bäume auf dem Damm laut einer Vorschrift aus dem Jahr 1997 nicht stehen dürften. Dennoch wurden stets nur einzelne Bäume entfernt. Mit dieser Vorgehensweise komme man nun laut Erben nicht mehr weiter. Über Pfingsten habe die Stadt noch versucht, den Herrenbach im Fall eines Sturms schnellstmöglich abzulassen, um im Ernstfall eine Überschwemmung vermeiden zu können. Doch der Prozess dauerte zu lange, um die Sicherheit der Anwohner zu garantieren. Deshalb habe man nun sehr schnell beschlossen, alle Bäume zu roden, die unmit- telbar auf oder direkt an der Mauerkrone stehen.
Wer hat die Bäume am Damm über haupt gepflanzt?
Rund um den Herrenbach gab es früher vor allem Gärtnereien. Damals floss der Herrenbach in einem holzverschalten Bett. Die größeren Wohnanlagen entstanden in dieser Gegend erst in den 60er Jahren. 1967 wurde auch die etwas stabilere Betonwanne gebaut, in der der Herrenbach bis heute fließt. Sie ist allerdings nicht ausreichend mit Stahl verbaut, so dass die Standfestigkeit zu wünschen übrig lässt. Laut Wasserwirtschaftsamt gab es zur Zeit dieses Umbaus keine großen Bäume am Damm. Sie wurden ziemlich sicher auch nicht gepflanzt, sie säten sich selbst dort aus. Über viele Jahre habe man sie gewähren lassen, anstatt den Damm so zu pflegen, wie es für ein solches Wasserbauwerk nötig ist, hört man aus dem Wasserwirtschaftsamt Donauwörth. Auch Reiner Erben gab bei der Bürgerversammlung am Montag zu, dass hier über Jahrzehnte etwas versäumt worden sei. Hat die Stadt Augsburg Alternativen geprüft, die die Fällungen vermeiden könnten?
Umweltreferent Erben sagt, man habe ein Jahr lang mehrere Optionen durchgespielt. Könnte man den Kanal tiefer legen? Nein, weil dazu die Bodenwanne zerstört werden müsste, die Seitenwände den Damm aber nicht halten. Könnte man Spundwände einziehen? Laut Wasserwirtschaftsamt ja. Doch das dazu notwendige schwere Gerät in dieses enge Gebiet zu bringen, würde bedeuten, dass ebenfalls fast alle Bäume fallen müssten. Könnte man die Bäume untereinander vertäuen? Ja, aber der Schutz wäre gering, da laut Baureferent Merkle ein fallender Baum womöglich mehrere andere umreißen würde. Könnte man den Wasserspiegel im Herrenbach dauerhaft senken? Ja, die Stadt bekäme dann aber wohl Schwierigkeiten mit großen Firmen wie MAN und UPM, die ihr Wasser aus den Stadtbächen beziehen. Zudem sind Wasserkraftwerke auf eine bestimmte Wassermenge angewiesen.
Warum hat die Stadtverwaltung die Fällung beschlossen, ohne den Stadt rat einzubeziehen?
Laut Reiner Erben geht es um die Frage, wer in einem Schadensfall durch Hochwasser die Verantwortung übernimmt. Das Wasserwirtschaftsamt hat diese Aufgabe in der Pfingstwoche noch einmal klar von sich gewiesen und verweist auf die Warnung, die bereits vor Jahren an die Stadt herausging. Auch der Stadtrat könne in diesem Fall keine Verantwortung übernehmen. „Das ist Sache der Verwaltung“, so Erben.
Werden die Wurzelstöcke der gefäll ten Bäume entfernt?
Ja, das ist nötig, weil sie sonst verrotten und damit wiederum die Stabilität des Damms gefährden würden. Binnen einiger Jahre werden die Wurzelstöcke ausgefräst, der Hohlraum verfüllt.
Gibt es Ersatzpflanzungen für die ge fällten Bäume?
Ja. Die Stadt will 357 neue Bäume pflanzen. Sie sollen einen Stammdurchmesser von 25 bis 30 Zentimetern haben und sechs bis sieben Meter hoch sein. Der bestehende Baumbestand in der Anlage ist etwa 18 bis 20 Meter hoch. So hohe Bäume neu zu pflanzen, mache keinen Sinn. Sie würden nicht anwachsen.
Wo werden diese Bäume stehen?
Im Herrenbach und im Textilviertel könnten laut Umweltreferent Reiner Erben (Grüne) rund 100 Bäume Platz finden. Der restliche Ersatz muss in anderen Teilen der Stadt gepflanzt werden. Es gibt Bürger, die bereits angeboten haben, in ihren Gärten Platz für Ausgleichspflanzungen zu schaffen. Bislang sei es jedoch noch nicht zu Gesprächen mit der Stadt gekommen.
Was bedeutet das für die Grünanlage am Herrenbach?
In einem Schreiben an die Anwohner betont die Stadt, die Anlage am Herrenbach soll nach den Fällungen „so schön wie früher“werden. Es gibt aber Kritik aus der Bevölkerung. Man befürchtet, dass es künftig Liegewiesen geben soll, die man nicht wolle. Die Stadt sagt, sie will die Bürger in eine Neugestaltung einbeziehen. Es wird Workshops geben, um das Areal attraktiv zu gestalten. Bäume werden am Damm nicht mehr gepflanzt. Die Stadt Augsburg will sich nicht länger über die Normen hinwegsetzen, die im Wasserwirtschaftsamt für die Bepflanzung von Dämmen gelten.